Mundtot nodrm
der Umwelt das Überleben in freier Landschaft und ohne die Hilfsmittel der Zivilisation ausprobieren wollen. Soll ein tolles Gemeinschaftserlebnis sein, meint Brunzel.«
»Brunzel?« Kurz überlegte, ob der stets gut gekleidete Kollege vom Staatsschutz schon einmal im durchnässten Zelt an einem Lagerfeuer gelegen haben mochte.
Häberle bemerkte die Irritation seines Gegenübers. »Er hat’s recherchieren lassen.« Der Ermittler sah seinen Kollegen provozierend an. »Wäre doch auch mal was für dich. Anstatt nur radeln und joggen – mal richtig ein Wochenende lang ums Überleben kämpfen. Wildkräuter vespern, Insekten grillen und was weiß ich.«
»Und womöglich Kakerlaken, was? Nein, August, da gönn ich mir lieber Linsen und Spätzle und ein Weizenbier.«
Häberle verschränkte die Arme vor der voluminösen Brust. »Oder begleit ihn doch bei seinem großen Experiment, das er plant. Brunzel will erfahren haben, dass Konarek was ganz Verrücktes vorhat. Angeblich, um auf seinen Freund Bleibach aufmerksam zu machen.«
»So? Will er mit Bleibach ins Dschungel-Camp von RTL? Nackt?« Kurz lächelte süffisant und äffte den entscheidenden Spruch aus dieser Schmuddel-Fernsehserie in abgewandelter Form nach: »Hilfe, wir sind Politiker, holt uns hier raus.«
Häberle gefielen solche Gespräche mit seinem direkten Vorgesetzten. Vermutlich lag es am nahezu gleichen Lebensalter, das sie zusammenschmiedete – ganz bestimmt aber auch an der jahrzehntelangen Berufserfahrung. Sie waren mit Menschen aller Gesellschaftsschichten zusammengekommen, hatten deren tiefste seelische Abgründe kennengelernt und fühlten sich zunehmend in der Einschätzung bestätigt, dass in diesem Lande etwas gewaltig aus dem Ruder lief.
Deshalb knüpfte der Ermittler an die Bemerkung seines Chefs an: »Wenn die Politiker nur so ehrlich wären und um Hilfe rufen würden. Aber stattdessen reißen sie forsch-frech die Klappe auf, obwohl sie schon bis zum Hals im Schlamm stecken.«
»Zum Glück verschlingt der Sumpf hin und wieder einen von ihnen.«
»Aber viel zu wenige«, knurrte Häberle.
Kurz hob eine Augenbraue: »Sei froh, dass uns keiner vom Verfassungsschutz hört.«
Häberle grinste wieder. »Bist du dir da so sicher? Womöglich sind sogar wir hier schon verwanzt. Ich trau inzwischen keinem mehr.«
Kurz musste schlagartig an einige Fälle denken, bei denen ihm bis heute nicht klar war, welche Rolle die Geheimdienste gespielt hatten. Denn sobald gewisse Kreise aus Politik und Wirtschaft in eine dubiose Angelegenheit involviert waren, konnte es bei der Ermittlungsarbeit wundersame Wendungen geben. Und wenn der Dreh nicht übers Innenministerium herbeigeführt werden konnte, dann gab’s noch immer die Notbremse bei der Justiz: Schnell einen ›Deal‹ abgeschlossen, ein herzzerreißendes Geständnis in einem von zwei Dutzend Punkten – und schon ging’s mit Bewährung oder einer Geldstrafe in Peanuts-Höhe ab.
»Und was will dieser Konarek nun anstellen? Einen Superwahlkampf-Gag für seinen Freund Bleibach?«, holte Kurz seinen nachdenklich gewordenen Kollegen wieder zum Thema zurück.
»Ganz genau hat’s Brunzel noch nicht rausgekriegt. Es soll auf jeden Fall ziemlich spektakulär werden und irgendwo am südlichen Lech losgehen.«
»Am südlichen Lech?« Kurz musste sich die Geografie dieses Flusses in Erinnerung rufen, der irgendwo in den österreichischen Alpen entsprang und dann zielstrebig durchs deutsche Gebirgsvorland, vorbei an Augsburg, der Donau zustrebte. »In Österreich?«
»Nein, nicht ganz so weit unten. Aber frag mich bitte nicht, wie das werden soll.«
14
Miriam Treiber war mit ihrer Beobachtung auf dem Laptop-Monitor zufrieden. Der violette Punkt hatte offenbar das Ziel erreicht. Sie ließ dennoch den Rechner und damit die automatische Aufzeichnung der GPS-Ortung laufen, griff sich ein braunes DIN-A5-Kuvert und verließ den Raum, der mit Computern und einer Vielzahl elektronischer Geräte vollgestopft war. Displays leuchteten, Kontrolllämpchen blinkten in verschiedenen Farben und jede Menge Kabel schien ziemlich ungeordnet alles miteinander zu verbinden. Der Rollladen am Fenster blieb ganztägig geschlossen – nicht nur, weil das Tageslicht die Arbeit am Bildschirm gestört hätte, sondern vor allem aus Sicherheitsgründen. Obwohl sich der Raum innerhalb ihrer Wohnung befand, hatte Miriam Treiber in die Tür ein besonderes Schloss einbauen lassen. Man konnte nie wissen, wer sich für ihre
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