Mundtot nodrm
reflexartig. Man konnte nie wissen. Es gab schon die verrücktesten Geschichten. Man musste ja nicht gleich an einen Außerirdischen denken.
»Ich geh mal davon aus, dass es ein Mensch war«, antwortete Ollerich verwundert.
»Sie haben aber keine blutende Wunde davongetragen?«
»Nein, aber vermutlich eine Beule.« Er machte keine Anstalten, sie dem Kriminalisten zu zeigen.
»Also keine ärztliche Hilfe erforderlich«, stellte Linkohr fest und blätterte in den Papieren. Die Polizeistreife, die sofort rausgefahren war, nachdem Ollerich im Polizeirevier Anzeige erstattet hatte, konnte keinerlei Spuren feststellen. »Sie haben gegenüber meinen Kollegen angedeutet, der Überfall könnte etwas mit Ihrem Engagement für Bleibach zu tun haben.«
»Ich war auf dem Weg zu ihm – und wenn Sie sich mal vor Augen führen, welch Kräfte am Werk sind, ihm zu schaden, dann muss jeder, der mit ihm zu tun hat, mit dem Schlimmsten rechnen.«
»Neo-Nazis? Linke? Oder woran denken Sie?«
»An keine spezielle Gruppierung. Es haben sich inzwischen genügend autonome Zellen gebildet, die aus verblendeten Querköpfen bestehen. Denen ist doch jedes Mittel recht.« Er zögerte. »Ich weiß ja nicht, inwieweit Sie über diesen seltsamen Drohbrief informiert sind.«
»Nach dem Musical ›Barbarossa‹«, gab sich Linkohr informiert. »Ist bei uns aktenkundig. Und Sie selbst waren aber bisher keinen Feindseligkeiten ausgesetzt?«
Ollerichs Antwort kam Linkohrs Gefühl zufolge den Bruchteil einer Sekunde zu spät. »Nein«, erklärte der hünenhafte Mann. Der Kriminalist hatte den Eindruck, dass er log. Vielleicht, so überlegte er, wäre es angeraten, Ollerichs Verletzung von einem Mediziner attestieren zu lassen. »Für die Anzeige und eventuelle zivilrechtliche Forderungen gegen den Täter sollten Sie sich ein Attest über die Art Ihrer Verletzung geben lassen«, sagte er. Doch Ollerich winkte ab: »Brauch ich nicht. Es war wohl nur ein ›Streifschuss‹, wenn ich das so sagen darf.« Er lächelte verkrampft. »Die Schmerzen sind schon abgeklungen. Ich bin, was so was anbelangt, auch hart im Nehmen. Mir geht’s nicht um Schmerzensgeld oder Bestrafung, sondern darum zu dokumentieren, dass mit Bleibachs Gegnern nicht zu spaßen ist.«
»Wenn’s denn so eine Attacke war«, erwiderte Linkohr schnell. Ollerich wollte schon empört aufbrausen.
»Ich meine nicht, dass ich an Ihrer Darstellung zweifle«, fuhr der Jungkriminalist deshalb fort. »Aber vielleicht waren Sie nur ein Zufallsopfer.«
»Zufallsopfer – um diese Zeit? Da draußen?«
Linkohr hatte plötzlich eine Idee. »Reichlich spät für einen Besuch bei Herrn Bleibach.«
Ollerichs Gesichtszüge versteinerten. »Wir sind derzeit Tag und Nacht unterwegs, das dürfen Sie mir glauben. Herr Bleibach kommt oft nur für eine Nacht heim.«
»Wurde noch jemand erwartet?«
Ollerich holte tief Luft. »Entschuldigen Sie, Herr Linkohr, aber ich möchte Sie bitten, das Umfeld Herrn Bleibachs nicht mit hineinzuziehen.«
Linkohr kannte derlei Bitten hinlänglich, doch er hatte von Häberle gelernt, sie einfach zu ignorieren. »Wurde noch jemand erwartet?«, wiederholte er deshalb seine Frage.
Ollerich betastete mit der rechten Hand sein fülliges Haar am Hinterkopf. »Herr Konarek ist extra aus Ulm hergefahren. Ich weiß nicht, ob Ihnen sein Name ein Begriff ist. Konarek wird eine spektakuläre Werbeaktion starten.«
»Konarek?« Linkohr tat so, als habe er den Namen nie gehört.
»Ein Survival-Trainer. Macht auch Nahkampf und Ähnliches.«
Der Kriminalist nahm den Hinweis dankbar auf. »War dieser Konarek schon bei Bleibach, als Sie niedergeschlagen wurden?«
Ollerich zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Aber Sie werden doch nicht glauben, dass er …?«
Linkohr spielte seinen Trumpf aus. »Na ja, er jedenfalls könnte Sie professionell niederschlagen, ohne Ihnen allzu große Blessuren zu verpassen.«
»Und was würde das für einen Sinn machen?«
»Egal, wer dahintersteckt, Herr Ollerich. Sinn macht das aus unserer Sicht momentan keinen. Da kommt einer aus dem dunklen Gebüsch, zieht Ihnen eins über und verschwindet wortlos wieder. Keine Drohung, nichts«, fasste Linkohr zusammen und ärgerte sich, dass ihm dieser Kleinkram, wie sie es am Montag bei der Dienstbesprechung bezeichnen würden, den Abend mit Sigrid versaut hatte.
55
Es war wieder unerträglich heiß. Selbst die Nacht wollte über Coober Pedy nicht abkühlen. Max Greenman saß seit einer guten
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