Mythor - 043 - Am Kreuzweg der Lichtwelt
sprechen, weil er weiß, dass seine Gefährten ihm nicht so rasch aus der Klemme helfen können. Denn wir sind zu viert und wir sind bewaffnet.«
Er zerrte den Burschen weiter mit sich, der dessen ungeachtet versuchte, ganz nebenbei No-Ango um dessen Geldbörse zu erleichtern. Der Rafher bemerkte es rechtzeitig und hieb ihm die knorpelartige Verdickung seiner Pfeilschleuder auf die Finger. Der Dieb stöhnte auf.
Mythor übersah und überhörte es. Er wusste nur, dass dieser Mann ihm alle nötigen Auskünfte geben würde. Einer aus der Diebesgilde wusste immer Bescheid!
*
»Was tut die Prinzessin hier in Horai?« fragte Mythor. Er saß an einem runden Tisch, gefertigt aus roh bearbeiteten Hölzern, dem Dieb gegenüber; links und rechts von Shyr, wie der sich nannte, hatten sich Sadagar und No-Ango niedergelassen. Larashi hockte etwas unglücklich zwischen Mythor und Sadagar.
»Was interessiert dich die Prinzessin, Hoher Herr?« fragte Shyr etwas trotzig. »Was willst du überhaupt von mir?«
»Wir wollen eines klarstellen«, erklärte Mythor langsam. »Du bist ein Dieb und hast keine Schonung verdient. Wir sollten dich sofort den Bütteln ausliefern. Aber wenn du uns die Antworten gibst, die wir erwarten, bleibst du frei. Was wir dabei bezwecken, geht dich nichts an.«
»Ihr seid Spione«, sagte Shyr. »Spione aus der Düsterzone.«
»Du armer Irrer«, murmelte Sadagar.
»Egal, wer wir sind«, sagte No-Ango plötzlich. »Du wirst reden. Ich bin ein Rafher, und du weißt, dass Rafher niemals den Finsteren gedient haben.«
»Das ist wahr«, murmelte der Dieb betroffen.
»Also sprich dich aus«, verlangte Mythor.
»Der Shallad entsandte Shezad, eine seiner vielen Töchter, zu einer Rundreise durch das Shalladad, und von hier aus soll sie Weiterreisen nach Logghard, um dort den Kriegern Mut zu machen, die der Düsterzone und ihren Angriffen widerstehen. Ihre Anwesenheit soll die Männer zu neuen Heldentaten beflügeln.«
Mythor grinste. »Und warum zieht der Shallad nicht selbst nach Logghard, um an der Spitze seiner Männer zu kämpfen, wie es einem Herrscher geziemt?«
Larashi hob die Hand. »Shallad Hadamur hat zeitlebens noch keinen Fuß nach Logghard gesetzt«, sagte er, »und solange Mond und Sterne des Nachts und die Sonne am Tage scheinen, wird das nicht anders werden. Und das, obwohl Logghard bis zu Hadamurs Machtantritt stets die Residenz des jeweiligen Shallad war. Warum sonst sollte man sie auch die ewige Stadt nennen? Doch Hadamur hat sich fünf Tagesreisen nördlich von Logghard seine eigene Stadt erbauen lassen.«
»Hadam«, erkannte Sadagar.
»Dort fühlt er sich sicherer vor den Angriffen der Düsterzone«, fuhr Larashi abfällig fort. »Er, der den Anspruch erhebt, die Fleischwerdung des Lichtboten zu sein.«
»Er ist die Fleischwerdung des Lichtboten!« sagte der Dieb überzeugt.
Mythor, Sadagar und No-Ango wussten es besser.
»Es gehen Gerüchte«, sagte Larashi ungerührt, »dass Hadamur seine Residenz noch weiter nördlich in sichere Gefilde verlegen will. Vielleicht gar nach irgendwo in den Heymalländern.«
»Der Shallad ist ein gerechter Herrscher und verdient nicht, dass man so über ihn spricht«, sagte Shyr.
»Nun, es ist für uns unwesentlich«, griff Mythor ein. »Deshalb also ist die Prinzessin hier. Bleibt sie für länger?«
»Schwerlich«, antwortete der Dieb. »Denn sie wird nur noch der Hinrichtung Tashans beiwohnen und dann gen Logghard reisen.« Er begann zu erzählen, wer Tashan war, denn an Mythors Gesichtsausdruck erkannte er, dass dieser nicht viel mit dem Namen anzufangen wusste. Seit vielen Gezeiten hatte Tashan mit seinen Kaperseglern den Salzspiegel unsicher gemacht und einen Salzsegler nach dem anderen überfallen, geplündert oder meistens sogar gekapert und seiner eigenen Flotte einverleibt. So war sie gewachsen, und es gab kaum noch Handelssegler, sondern fast nur noch Fahrzeuge der Piraten. Seine Macht war immer mehr gewachsen, und in letzter Zeit wagten sich die Segler nur noch zu mehreren hinaus und auch dann nur, wenn sie schwer bewaffnet waren. Doch auch das half wenig gegen die Übermacht der Piraten, die überraschend zwischen Salzdünen auftauchten und die Opfer von allen Seiten zugleich angriffen.
Jetzt aber hatten sie den Anführer Tashan endlich dingfest gemacht und zum Tode verurteilt, und am späten Nachmittag dieses Tages sollte die Hinrichtung stattfinden; Mythor sah auf das Stundenglas des Schankwirts. Es war kurz vor Mittag.
Larashi
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