Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)
aber mir scheint, dass in Wien irgendetwas geschehen ist, was sie bedrückt, was ihr Angst gemacht hat.«
»Konkreter geht’s nicht?«
»Nein, ist nur ein Gefühl.«
»Kommen wir zu den Fakten: Wo waren Sie am Donnerstagnachmittag zwischen 14 und 17 Uhr?«
»Da war ich auf der Probebühne und habe mit ein paar Kollegen für einen Ringelnatz-Abend geübt.«
»Die bestätigen das?«
»Gehe ich von aus.«
Da war er sicher, keine Frage. Bernhardt ließ sich die Namen der Kollegen geben, zwei traf er in der Kantine, wo Cornelia saß und auf ihn wartete. Die beiden Schauspieler waren schon ein bisschen besäuselt, aber ihre Aussage war glasklar: Sebastian stand die ganze Zeit auf der Probebühne, nein, er war nicht für längere Zeit verschwunden.
16
Als Anna Habel in die Plankengasse trat, kramte sie ihr auf lautlos gestelltes Handy aus der Umhängetasche. Die Kollegen aus dem Büro hatten bereits zweimal angerufen, doch es war unmöglich, bei diesen Temperaturen auf offener Straße zu telefonieren. Auf dem Weg zur Straßenbahn lag das Café Tirolerhof, da könnte sie sich kurz noch Notizen über das Gespräch machen und im Büro zurückrufen.
»Bitte schön, gnä’ Frau! Was darf ich bringen?«
»Eine Melange bitte und eine Buttersemmerl.«
Das Café war gut besucht, und wie so oft fragte sich Anna, warum all diese Menschen an einem Montagvormittag nichts Besseres zu tun hatten, als im Kaffeehaus zu sitzen. Pensionisten, Studenten, Touristen, Männer in Dreireihern, an einem kleinen Tisch in der Mitte saß ein älterer Herr in einem etwas fadenscheinigen Anzug, dessen riesiger, weißer Schäferhund gemütlich ausgestreckt mitten im Raum lag. Der Wiener und seine Hunde, dachte Anna, als sie den Kellner beobachtete, der immer wieder einen respektvollen Bogen um das Tier machte. »Bittschön, gnä’ Frau, Melange und Buttersemmerl.« Der Kellner im schwarzen Anzug, der Annas Bestellung schwungvoll auf das Tischchen stellte, riss sie aus ihren Gedanken, und rasch drückte sie die Rückruftaste. Sie hatte immer ein schlechtes Gewissen, wenn sie im Kaffeehaus mit dem Handy telefonierte, aber manchmal ließ es sich einfach nicht vermeiden. Diesmal musste sie zum Glück nicht sprechen, kaum hatte es einmal geklingelt, sprudelte Helmut Motzkos Stimme aus dem Hörer: »Wir haben einen Termin beim Direktor um halb elf. Und Gabi hat ein Organigramm des Theaters, das bringen wir mit. Ah ja, und bei diesem Hans-Günther Steiner haben wir auch angerufen, da war aber nur eine Sekretärin, Personal Assistent nannte sie sich, die meinte, sie wüsste nicht, ob der Herr Steiner heute noch mal ins Büro käme, und er wäre leider nicht zu erreichen, sie würde uns aber heute noch Bescheid geben und –«
»Stopp. Herr Motzko, wir treffen uns in einer Dreiviertelstunde am Bühneneingang vom Burgtheater. Sie bringen alles mit, was Sie haben, und dann reden wir, okay?«
Der Portier blickte nur widerwillig von seiner Kronen Zeitung auf, als Anna Habel und Helmut Motzko vor dem hohen Tresen standen. Anna legte ihren Dienstausweis auf das Bild der Barbusigen von Seite drei. »Guten Tag. Wir haben einen Termin mit Herrn Direktor Grüneis.«
»Moment! Da muss ich erst nachfragen.« Er griff zum Telefonhörer und murmelte ein paar unverständliche Worte. Sein Blick wurde nicht freundlicher, als er wieder auflegte. »Sie werden gleich abgeholt. Warten Sie bitte hier.«
Keine drei Minuten später stand eine junge Frau vor ihnen, die ein wenig skeptisch hinter ihren langen Stirnfransen hervorblickte. »Wenn Sie mir bitte folgen wollen.« Drei Stockwerke mit dem Aufzug, einen langen Gang entlang.
In einem kleinen, unaufgeräumten Büro kam ihnen der Direktor bereits entgegen. »Ich habe schon gehört, dass Sie zu mir kommen! Frau…«, ein großer Mann mit schlohweißem Haar und markanter Hakennase kam um seinen Schreibtisch herum und streckte Anna die rechte Hand hin. »Frau Inspektor? Wie sagt man, ich hatte noch nie mit einem Kommissar zu tun.«
»Chefinspektor. Aber sagen Sie einfach Frau Habel zu mir. Das ist mein Kollege, Herr Motzko.«
»Nehmen Sie doch Platz. Kaffee? Ich weiß allerdings gar nicht genau, wie ich Ihnen helfen kann.«
»Frau Lechner war doch Mitglied Ihres Ensembles, bevor sie nach Berlin gezogen ist.«
»Ja, das stimmt. Und wir sind auch alle sehr betroffen von ihrem Tod. Ein großer Verlust! Aber warum wird denn in Wien ermittelt?«
»Ermitteln ist fast schon zu viel gesagt, sagen wir so: Wir helfen
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