Nachrichten aus Mittelerde
grub. Danach strömte er durch tiefe Schluchten, deren gewaltige Seitenwände wie Steinmauern aufragten und an deren Grund das eingeschlossene Wasser mit großer Gewalt lärmend dahinströmte. Und gerade auf dem Weg Glaurungs lag nun eine dieser Schluchten, keineswegs die tiefste, aber die schmalste, genau nördlich von der Einmündung des Celebros. Darum sandte Turambar drei wagemutige Männer aus, die vomRand der Schlucht die Bewegungen des Drachen beobachten sollten; er selbst jedoch wollte zum hohen Wasserfall Nen Girith reiten, wo Nachrichten ihn rasch erreichen konnten und von wo er weit die Lande überschauen konnte.
Doch zuerst rief er die Waldmenschen in Ephel Brandir zusammen und sprach zu ihnen: »Männer von Brethil, eine tödliche Gefahr ist über uns gekommen, und nur große Kühnheit wird sie abwenden. Doch hierbei würde ein großes Aufgebot wenig nützen; wir müssen eine List anwenden und hoffen, dass wir Glück haben. Wenn wir mit unserer gesamten Streitmacht gegen den Drachen anrücken wie gegen ein Heer von Orks, würden wir uns bloß dem Tod ausliefern und unsere Frauen und Kinder wehrlos zurücklassen. Deshalb sage ich, dass ihr hierbleiben und euch auf die Flucht vorbereiten sollt. Denn wenn Glaurung kommt, müsst ihr diesen Ort aufgeben und euch in alle Richtungen zerstreuen: So könnten einige entkommen und überleben. Wenn es ihm irgend möglich ist, wird er nämlich mit Sicherheit zu unserer Feste und Wohnstätte kommen, und er wird sie vernichten und alle Menschen, die er zu Gesicht bekommt. Doch anschließend wird er nicht hierbleiben. In Nargothrond liegt sein ganzer Schatz, dort sind die tiefen Hallen, in denen er sicher ruhen und wachsen kann.«
Da waren die Männer entsetzt und völlig niedergeschlagen, denn sie vertrauten auf Turambar und hatten hoffnungsvollere Worte erwartet. Aber er sagte weiter: »Nun, dies ist der schlechteste Fall. Und er wird nicht eintreten, wenn mein Plan gut und das Glück uns hold ist. Ich glaube nämlich nicht daran, dass dieser Drache unbesiegbar ist, obwohl im Laufe der Jahre seine Stärke und seine Bösartigkeit gewachsen sind. Ich weiß etwas über ihn. Seine Macht beruht eher auf dem bösen Geist, der in ihm wohnt, als auf seiner reinen Körperkraft, so groß diese auch sei. Vernehmt nun diese Geschichte, die mir einige Männer erzählten, die im Jahre der Nirnaeth fochten, als ichund die meisten meiner Zuhörer Kinder waren. Auf jenem Schlachtfeld widerstanden ihm die Zwerge, und Azaghâl aus Belegost verletzte ihn durch einen tiefen Stich so sehr, dass Glaurung zurück nach Angband floh. Doch ich habe hier einen Dorn, der schärfer und länger ist als Azaghâls Messer.«
Und Turambar zog Gurthang aus der Scheide und führte damit einen Stoß über seinen Kopf aus; denen, die zusahen, schien es, als springe aus Turambars Hand eine Flamme viele Fuß hoch in die Luft. Da stießen sie einen lauten Schrei aus: »Der Schwarze Dorn von Brethil!«
»Der Schwarze Dorn von Brethil«, wiederholte Turambar, »möge er ihn wohl fürchten. Denn wisset: Es ist das Verhängnis dieses Drachen (und all seiner Brut, sagt man), dass, so mächtig sein Hornpanzer auch immer sein mag und härter als Eisen, er auf seiner Unterseite den Bauch einer Schlange besitzt. Darum, Männer von Brethil, ich gehe jetzt, um den Bauch Glaurungs zu suchen, auf welche Art auch immer. Wer will mit mir kommen? Ich brauche nur wenige starke Arme und noch stärkere Herzen.«
Da trat Dorlas vor und sagte: »Ich will mit dir gehen, Herr; denn ich würde es immer vorziehen, dem Feind entgegenzugehen, als auf ihn zu warten!«
Doch keine weiteren Männer hatten es so eilig, dem Ruf zu folgen, denn die Furcht vor Glaurung lag auf allen; überdies hatte die Erzählung der Kundschafter, die ihn gesehen hatten, die Runde gemacht und war dabei noch ausgeschmückt worden. Da rief Dorlas aus: »Hört, Männer von Brethil, es liegt nun klar zutage, dass die Pläne Brandirs vergeblich waren, um in unserer Zeit das Böse zu bekämpfen. Man entgeht ihm nicht, indem man sich versteckt. Will niemand von euch den Platz des Sohnes von Handir einnehmen, damit nicht Schande über das Haus Haleth komme?« So wurde Brandir, der in der Tat den erhöhten Sitz des Oberhauptes dieser Versammlungeinnahm, aber unbeachtet blieb, dem Spott preisgegeben; und sein Herz füllte sich mit Bitterkeit, denn Turambar wies Dorlas nicht zurecht. Doch einzig Hunthor, ein Verwandter Brandirs, stand auf und sagte: »Es war
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