Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nacht der gefangenen Träume

Nacht der gefangenen Träume

Titel: Nacht der gefangenen Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Michaelis
Vom Netzwerk:
Maschine mit ihren sieben Saugnäpfen zu entziehen, doch er konnte sich nicht rühren. Sie hatten ihn am Bett festgeschnallt, genau wie Änna neulich. Nicht einmal den Kopf konnte er weiter als einige Grad drehen – jetzt erst merkte er, dass ein breiter Riemen über seine Stirn lief. Der Sog wurde stärker, die Maschine noch lauter. Aus der Öffnung eines Saugnapfes tropfte nun eine kalte glibberige Masse in sein Haar: Pudding.
    Frederic fühlte ihn außen, auf seiner Haut, doch er fand keinen Weg in seinen Kopf, keinen Weg in die Welt seiner Gedanken und Ideen.
    »Wann ist die letzte Sondersendung gekommen?«, erkundigte sich Bruhns flüsternd, während der Pudding Frederics Haare verklebte und der Sog das Blut unter seine Haut jagte.
    »Gestern«, antwortete Fyscher. »Wir brauchen jetzt noch drei Sendungen, dann reicht es.«
    »Wie lange noch?«
    »Vielleicht noch acht Tage.«
    »Es wird wirklich Zeit. Wenn sie unseren Mann nicht beim letzten Mal an der Grenze erwischt hätten, wäre es längst so weit! Seltsam, wir leben seit fünfzehn Jahren mit dem Risiko. Aber jetzt, wo ich mich dazu entschlossen habe, es zu beseitigen, erscheinen mir acht Tage unendlich lang.«
    »Und die Keller sind voll.«
    »Das vor allem. Wenn sie unzufrieden werden, wenn sie einen Aufstand anzetteln – ich möchte nicht daran denken. Ich habe Albträume davon.« Er lachte trocken wie knisterndes Papier im Kamin, kurz bevor es entflammt. »Aber die kann ich ja loswerden, nicht wahr? Ich habe schließlich schon früher meine eigenen Albträume abgepumpt.«
    »Es muss ein komisches Gefühl sein …«
    »Ja, es schmerzt. Aber die meisten Kinder spüren es gar nicht. Ketamin , Fyscher. Betäubt lange genug. Es wird fast nicht mehr gehandelt, weil man Albträume davon bekommt. Na, was soll’s. Wir pumpen die Albträume vom Ketamin einfach mit ab, in einem Aufwasch. Außerdem war das Zeug billig.«
    »Wieso haben wir Frederic nicht betäubt?«
    »Ich wollte, dass er es spürt. Er hat mir genug Ärger gemacht. Verzeihen Sie. Ein kleiner persönlicher Racheakt. Wir haben alle unsere Schwächen.«
    »Natürlich.« Frederic konnte sich Fyschers Lächeln vorstellen, auch wenn ihm vermutlich seine Zunge dabei im Weg war. »Schwächen machen sympathisch.«
    Naaa ja, dachte Frederic.
    »Aber er scheint überhaupt nichts zu spüren«, flüsterte Bruhns verärgert. »Er scheint einfach weiterzuschlafen.«
    »Haben Sie die letzte Ladung Träume schon weggebracht?«
    Bruhns zögerte. »Ja«, sagte er schließlich. »Gleich am nächsten Tag.«
    Ach was, dachte Frederic. Gar nichts hast du weggebracht, du Heuchler. Nicht eine einzige geträumte Federblume. Du fragst dich, wo sie sind, und es würde dich maßlos wundern, die Wahrheit zu erfahren. Triumph durchströmte ihn warm und golden, und seine Angst vor der Maschine schwand. Sie konnte ihm nichts anhaben. Sie hatte ihm noch nie etwas anhaben können.
    »Acht Tage noch, dann ist es aus mit den Träumen«, zischte Bruhns. »Aus mit der Gefahr. Dann kann uns keiner mehr etwas anhaben.«
    Die Maschine verstummte. Schritte gingen zum Fenster. »Frau Ziesel macht Zeichen«, flüsterte Sport-Fyscher. »Der Motor läuft heiß. Aber unten kommt nichts an.«
    »Lösen Sie die Saugnäpfe«, befahl Bruhns betont ruhig. »Wir kommen wieder.«
    Frederic schloss die Augen. Er spürte am Lufthauch, wie jemand über ihm herumfuhrwerkte, und kurz darauf verschwand der Druck der Riemen um seinen Körper. Er atmete auf. Er konnte sich wieder bewegen. Doch er tat es nicht, noch nicht. Erst als er Bruhns’ und Fyschers Stimmen draußen auf der Leiter hörte, richtete er sich langsam auf. Die Enden der sieben Schläuche glitten über den Fußboden auf das angelehnte Fenster zu. Unten schien jemand daran zu ziehen. Frederic kletterte aus dem Bett und bückte sich blitzschnell. Er bekam einen der Saugnäpfe zu fassen wie eine davonhuschende Maus, hielt ihn fest – und hatte ihn im nächsten Moment lose in der Hand. Der Schlauch rutschte saugnapflos durch die Fensteröffnung.
    Frederic betrachtete den abgerissenen Gummikreis verwundert. In der Mitte besaß er ein Loch; dort, wo er von seinem Schlauch abgerissen war. Ansonsten sah er aus wie ein ganz normaler Saugnapf. Man könnte das Loch zukleben und ihn für Lisas Fenster-schließ-Apparat verwenden …
    Halt. Da draußen fluchte jemand! Einer von ihnen kam die Leiter wieder hoch! Frederic schlüpfte hastig zurück unter die Bettdecke und schloss abermals die Augen,

Weitere Kostenlose Bücher