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Nacht der gefangenen Träume

Nacht der gefangenen Träume

Titel: Nacht der gefangenen Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Michaelis
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Dutzenden von Schaltern, Hebeln, Rädern und Schläuchen und – war das nicht ein Saugnapf?
    Frederic zog die Luft scharf durch die Zähne ein. Bruhns war ein Arschloch, aber eines musste man ihm lassen: Er war auch ein genialer Erfinder. Frederic kniete sich vor das zusammengefaltete Ding, das noch in der einen Hälfte des Steins steckte, und untersuchte es genauer.
    Wie baute man die Traum-Entfernungs-Maschine zu ihrer vollen Größe zusammen? Hier waren die Hebel, mit denen man das Abpumpen für »böse« und »gute« Träume einstellen konnte. Hier flossen die Träume hinein … und danach? Wohin gerieten sie dann? In seiner Schultasche fand er einen Schraubenzieher und begann, einzelne Teile des Getriebes zu zerlegen. Er musste wissen, wie diese Maschine tickte. Wo war ihr Herz? Was presste die Träume zusammen?
    Und plötzlich ging es gar nicht mehr um die Träume. Es ging nur noch um die Maschine. Um ihre Schönheit, rein, pur, jenseits ihrer Bestimmung.
    Die Zeit wich. Der Schulhof wich. Die Welt wich. Frederic war die Maschine und die Maschine war er. Sein Blick kroch auf der Suche nach ihren innersten Geheimnissen durch ihre Eingeweide, er verstand hier, rätselte da, schraubte auf, schraubte zu, trennte, vereinte, probierte, ging den Adern von Drähten nach … eine Blume fiel ihm in die Hände. Eine Blume? Er drehte sie hin und her. Sie hatte zarte, filigrane blaue Blütenblätter. War sie wirklich aus dem Getriebe der Maschine gefallen? Er würde sich später Gedanken darüber machen. Er legte sie beiseite, holte den besonderen Dietrich hervor und knipste das bläuliche Lämpchen an. Es war beinahe dunkel geworden.
    Und auf einmal hielt er ein Tonband in der Hand. Er stutzte. Ein Tonband? Dort, wo er das vermutete, was die Träume komprimierte? Hätte er die Maschine nur ganz aufbauen können! Dann hätte sie ihm vielleicht preisgegeben, was für Töne sich auf dem Band befanden. Er drehte es hin und her …
    »Frederic. Was machst du hier?«
    Er fuhr erschrocken herum. Über ihm stand der starke Georg.
    »Was machst du hier?«, fragte er zurück.
    »Lateinnachhilfe bei Herrn Claudius«, antwortete Georg, und eine eiserne Hand zog Frederic hoch. »Oh Gott! Was – was ist das? Du hast den Stein kaputt gemacht! Warum – und wie?«
    Frederic schüttelte den Kopf und schob das Band in seine Tasche. »Er ist nicht kaputt. Er ist bloß hohl innen. Es ist irre, aber er war die ganze Zeit über nur dazu da, die Maschine aufzubewahren. Und keiner von uns hat es gewusst!«
    »Maschine?«, echote Georg verständnislos. »Was redest du da?«
    Frederic sah ihm ins Gesicht. »Du willst sie nicht sehen, stimmt’s?«
    »Komm mit«, sagte der starke Georg. »Josephine hatte recht. Ich habe daran gezweifelt, aber sie hatte recht. Du bist verrückt. Du rennst herum und machst Dinge kaputt, nur so zum Spaß.«
    Frederic wand sich in dem eisernen Griff, doch Georg schleifte ihn ohne größere Mühe nach St. Isaac hinein. In der Aula stießen sie beinahe mit Claudius zusammen, der einige erstaunte Karpfenblasen machte.
    »Er hat den Stein zerbrochen!«, rief Georg. »Frederic hat den Stein mit der Inschrift zerbrochen! Wir müssen dem Herrn Direktor Bruhns Bescheid sagen!«
    Claudius blubberte Entsetztes. Kurz darauf blubberte er in sein Handy. Frederic konnte sich nicht vorstellen, wie die Blasen das andere Ende erreichen sollten. Er kämpfte in der Aula chancenlos mit dem starken Georg, während Claudius teleblasofonierte. Es war alles wie ein schlimmer Traum. Ein Traum, den Bruhns gern aus seinem Kopf hätte pumpen können.
    Schließlich wurde es dem starken Georg zu dumm; er rang Frederic zu Boden und setzte sich auf seine Brust, und so warteten sie, bis Bruhns erschien.
    Sein Schatten fiel vor ihm durch die Tür, samtschwarz und voller Zähne. Bruhns kniete sich vor Frederic und sah ihm ins Gesicht. Der starke Georg hielt ihn noch immer eisern fest.
    »Jetzt«, sagte er sehr leise, »hast du es zu weit getrieben. Ich wusste, dass du den einen Saugnapf geklaut hattest. Saugnäpfe kann man ersetzen. Aber das ist zu viel. Wo ist das Band?«
    »Ich …«
    »Georg? Ein Tonband?«
    »In seiner Tasche, Herr Direktor. Rechts, Herr Direktor. Ja, dort, Herr Direktor.«
    Bruhns hielt das Tonband triumphierend in die Höhe wie einen wiedergefundenen Gummiknochen. Dann rollte er es sorgfältig ein und ließ es in seiner eigenen Tasche verschwinden. Danach winkte er zwei Leute herein, die gerade erst in der Tür aufgetaucht

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