Nacht der Leidenschaft
Empfindungen nahmen von ihm Besitz … Erregung, Beschützerinstinkt, Verlangen oder Zärtlichkeit? Er wollte ihr das Gute zeigen, das am Grund seiner Seele schlummerte, um sie für sich zu gewinnen.
„Doch, du wirst kommen, Amanda“, sagte er laut zu sich selbst und wusste auf einmal, dass sie ihm nicht widerstehen konnte, so wie er ihr nicht widerstehen konnte.
Die Gäste begaben sich ins Esszimmer, einen großen Raum mit wunderschöner Mahagonitäfelung, in dem zwei lange Tische für je vierzehn Personen standen. Vier behandschuhte, livrierte Diener huschten geschäftig um die Tische, führten die Gäste zu ihren Stühlen, halfen beim Platz nehmen, schenkten Wein ein und servierten Austern auf Silbertabletts. Als Nächstes wurden Sherry und Schälchen mit dampfender Schildkrötensuppe gereicht, gefolgt von Steinbutt mit holländischer Soße.
Jack fand sich neben Mrs. Francine Newlyn wieder. Er war sich Sicher, dass Francine es auf ihn abgesehen hatte.
Obwohl er sie attraktiv fand, war es nicht sein Wunsch, eine Affäre mit ihr anzustreben. Vor allem, da ihm nicht daran gelegen war, dass das eigene Privatleben vor einer hungrigen Meute von Klatschmäulern in allen Einzelheiten breitgetreten wurde. Jedenfalls strich sie unter dem Tisch mit der Hand über sein Knie. Jedes Mal, wenn er die Hand fortschob, kehrte sie zurück und erforschte neue Gebiete seines Schenkels.
„Mrs. Newlyn“, murmelte er, „sehr schmeichelhaft, dass Sie mir Ihre Aufmerksamkeit zuwenden. Aber wenn Sie Ihre Hand nicht entfernen …“
Francines Hand glitt weg. Sie betrachtete ihn mit katzenhaftem Lächeln. Die Augen waren rund vor unschuldigem Staunen. Verzeihen Sie“, schnurrte sie. „Beinahe hatte ich mein Gleichgewicht verloren und versuchte nur, es wiederzugewinnen.“ Sie hob ihr Sherryglas und nippte anmutig daran. Mit der Zungenspitze leckte sie einen goldenen Tropfen vom Rand. „Ein kräftiges Bein“, bemerkte sie leise. „Treiben Sie viel Sport?“
Jack unterdrückte einen Seufzer, als er zum anderen langen Tisch hinüberblickte an dem Amanda Briars saß. Sie war mit dem Herrn zu ihrer Linken in ein lebhaftes Gespräch über die Frage vertieft, ob die neuen Fortsetzungsromane, die in monatlichen Abständen erschienen, denn auch als Romane eingestuft werden konnten.
Diese Streitfrage war im Augenblick höchst aktuell, da einige Verleger – einschließlich ihm selbst – Fortsetzungsromane druckten, aber bis jetzt ohne großen Erfolg.
Jack genoss es, Amandas Gesicht im Kerzenlicht zu studieren – ihren Ausdruck, der je nachdem nachdenklich, belustigt oder aufmerksam war, und die schimmernden grauen Augen, die heller als poliertes Silber glänzten.
Im Gegensatz zu den anderen anwesenden Frauen, die in den Speisen auf ihren Tellern auf angemessen weibliche Art lustlos herumstocherten, stellte Amanda einen gesunden Appetit zur Schau. Anscheinend war dies eines der Privilegien des Jungfernstandes, dass man sich als Frau in der Öffentlichkeit nicht auch noch beim Essen zieren musste. Sie war natürlich und geradeheraus, ein erfrischendes Gegenstück zu den anderen ihm bekannten Damen der Gesellschaft. Er wollte mit ihr allein sein. Er beneidete den Mann, der neben ihr saß und sich von allen Anwesenden am besten zu unterhalten schien.
Francine Newlyn gab nicht auf. Ihr Schenkel presste sich an den seinen. „Mein lieber Mr. Devlin“, sagte sie seidenweich, „wie mir scheint, können Sie Ihren Blick nicht von Miss Briars wenden. Aber ein Mann wie Sie dürfte an ihr wohl kaum Interesse finden.“
„Wieso nicht?“
Völlig undamenhaft prustete sie vor Lachen. „Weil Sie Jung sind, ein Vollblutmann in seinen besten Jahren, und sie … nun, das sieht man doch, oder? Oh, die Männer mögen Miss Briars, gewiss, aber mehr wie eine Schwester oder eine Tante. Sie ist nicht die Frau, die in einem Mann Liebesgefühle weckt.“
„Wie Sie meinen“, antwortete er knapp. Diese Frau schätzte ihre eigenen Vorzüge weit höher ein als die ihrer Freundin; dabei kam es ihr jedoch nicht in den Sinn, dass ein Mann am Charme einer Jungfrau mehr Gefallen finden könnte. Aber Jack hatte viele Frauen wie Francine gekannt und wusste, was hinter der schönen, hohlen Fassade steckte. Oder, besser gesagt, nicht steckte.
Ein Diener reichte eine Platte mit gebratenen Fasanen. Jack nahm mit einem Kopfnicken an und seufzte noch einmal au£ als er an den langen Abend dachte, der jetzt vor ihm lag. Der Morgen mit Amandas Besuch in
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