Nacht der Leidenschaft
bekommen, zu unserem großen Kummer.
Ein Haus ohne Kinder kann sehr still sein.“
Während sie sich in der Schlange am Büfett schrittweise weiter bewegten, lächelte Amanda auch weiterhin. Hartley war ein beeindruckender Mann, freundlich, intelligent und attraktiv, auch wenn man ihn nicht als gut aussehend bezeichnen konnte. Vielleicht war es das breite, symmetrische Gesicht mit der großen, geraden Nase und den, warmen braunen Augen, die sie anzogen. Es war ein Gesicht, überlegte sie, das man jeden Tag ansehen konnte, ohne seiner überdrüssig zu werden. Sie hatte Hartley vorher nicht wirklich bemerkt. Jack Devlin hatte sie zu sehr in seinen Bann gezogen. Jetzt schwor sie sich innerlich, diesen Fehler nicht wieder zu begehen.
„Vielleicht darf ich Sie einmal besuchen“, schlug Hartley vor. „Ich würde Sie gern zu einer Kutschfahrt einladen, wenn das Wetter schöner wird.“
Mr. Charles Hartley war weder der Prinz aus dem Märchen noch eine heldenhafte Romangestalt, sondern ein ruhiger, zuverlässiger Mensch, der ihre Interessen teilte. Hartley würde sie nicht umwerfen, sondern ihr helfen, mit beiden Beinen fest auf dem Boden zu bleiben. Als aufregenden Mann würde man ihn wohl kaum bezeichnen, aber Amanda hatte während ihrer kurzen Affäre mit Jack Devlin genug Aufregung erlebt, dass es für ein Leben reichte.
Jetzt wollte sie einen greifbaren, realistischen Menschen, der seinerseits ein durchschnittliches Leben mit allen Annehmlichkeiten zu führen wünschte.
„Ja, sehr gern“, sagte Amanda, und zu ihrer Erleichterung machte sie sehr bald die Entdeckung, dass ihr Charles Hartleys Gesellschaft sämtliche Gedanken an Jack Devlin aus dem Kopf vertrieb.
Kapitel 13
Auf seiner abendlichen Kontrollrunde ging Oscar Fretwell jeden Flur des Gebäudes ab, um Geräte und Ausrüstung zu überprüfen und Türen abzuschließen. Vor Devlins Büro blieb er stehen. Es brannte Licht. Ein seltsamer Geruch drang durch die verschlossene Tür … Brandgeruch. Besorgt klopfte Fretwell an die Tür und verschaffte sich schließlich mit der Schulter gewaltsam Eintritt. „Mr. Devlin …“
Fretwell blieb stehen und starrte mit kaum verhohlenem Erstaunen auf den Mann, der sein Arbeitgeber und Freund war. Devlin saß an seinem Schreibtisch, von den üblichen Aktenbergen und Bücherstapeln umgeben, und” paffte methodisch an einer langen Zigarre. Eine mit abgebrannten Stumpen übervolle Kristallschale sowie die hübsche, nur mehr zur Hälfte mit Zigarren gefüllte Dose aus Zedernholz bestätigten die Tatsache, dass Jack diesem Laster bereits mehrere Stunden lang gefrönt hatte.
Um Zeit zu gewinnen, seine Gedanken in die richtigen Worte zu fassen, nahm Fretwell die Brille ab und putzte sie mit umständlicher Sorgfalt. Als er sie wieder aufsetzte, blickte er Devlin forschend an. Obwohl er Devlin nur selten beim Vornamen nannte, um den anderen Mitarbeitern seine Hochachtung vor ihm zu demonstrieren, redete er ihn jetzt bewusst damit an. Erstens hatte außer ihnen auch der letzte Mann den Verlag verlassen, und zweitens wollte Fretwell damit an die Verbindung ihrer gemeinsamen Jugendzeit anknüpfen.
„Jack“, sagte er ruhig, „ich dachte, Tabak schmeckt dir nicht.“
„Heute schon.“ Devlin sog wieder an der Zigarre, kniff die blauen Augen zusammen und blickte Fretwell unwirsch an. „Geh nach Hause, Fretwell. Mir ist nicht nach reden zumute.“
Fretwell achtete nicht auf die gemurmelte Aufforderung. Er ging zu einem der hohen Fenster und öffnete es, um frische Luft in das stickige Zimmer zu lassen. Der dichte blaue Qualm löste sich allmählich auf. Während Devlin ihn nicht aus den Augen ließ, näherte sich Fretwell dem Schreibtisch, inspizierte die Zedernholzschachtel und nahm sich eine Zigarre heraus. „Darf ich?“
Devlin knurrte zustimmend, hob ein Whiskeyglas und leerte es mit zwei Schlucken. Fretwell kramte ein kleines Etui aus der Tasche, holte eine Schere hervor und wollte ein Ende der Zigarre abschneiden, aber die harten Tabakblätter widersetzten sich seinem Versuch. Vorsichtig machte er sich daran, die Spitze abzusägen, bis Devlin ihn anraunzte: „Gib mir das verdammte Ding.“
Er zog ein höllisch scharfes Messer aus der Schreibtischschublade, schnitt die Spitze ab und entfernte die von der Schere zerfranste Kante. Dann reichte er Fretwell die Zigarre samt einer Streichholzschachtel und schaute zu, wie er sie anzündete und die ersten Züge tat, bis der Tabak einen aromatischen, weich
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