Nachthaus
die alten Damen und den pensionierten Anwalt. Sie waren ruhig, anständig und rücksichtsvoll. Die einzigen Wohnungseigentümer, die ihm noch weniger Probleme machten, waren der in 1- B , der vor neun Monaten gestorben und dessen Nachlass noch nicht geregelt war, und Mr. Beauchamp in 1-D, der vor zwei Wochen einer Lungenentzündung erlegen war.
Nachdem er aus dem Polizeidienst ausgeschieden war, vermutete Logan, wenn er als Nächstes den Job im Pendleton aus Altersgründen aufgab, könnte er Sicherheitschef eines Friedhofs werden. Ein Feld voller Toter in ihren beengten kleinen Unterkünften würde sich noch ruhiger und anständiger gebärden als Edna und Martha Cupp. Und wenn er den Job aus Altersgründen an den Nagel hängte, könnte er sich einfach in eine vorbereitete Grube legen und mit Erde zudecken lassen.
Er war nicht verbittert darüber, dass er mit 62 gezwungen ge wesen war, den Polizeidienst zu quittieren. Das war sechs Jahre her, Schnee von gestern. Er war zwar nicht verbittert, aber er war zum Zyniker geworden. In Wahrheit hatte er bei der Arbeit schon immer etwas von einem Zyniker und einem Griesgram an sich gehabt – was ihm gute Dienste erwies, wenn er es mit mörderischen Drecksäcken zu tun hatte: Es half ihm dabei, sie zu verstehen, zu finden und festzunehmen. Außer Dienst war er jedoch gut gelaunt und relativ unbekümmert gewesen. Da jetzt allerdings die gesamte Action aus seinem Leben verschwunden war, konnte Logan seine negativen Energien nicht täglich abbauen und hatte den Verdacht, infolgedessen zu ei nem Griesgram rund um die Uhr zu versauern.
Aber damit konnte er leben.
Nachdem er aus dem Aufzug gestiegen war, wandte er sich nach rechts und bog nach etwa sechs Metern wieder nach rechts in den nördlichen Flur ab. Die Wohnungen lagen auf der rechten Seite, alle drei, mit Blick auf den Innenhof. Die hinterste Wohnung gehörte Mickey Dime; abgesehen davon, dass er Geld geerbt hatte, war Dime angeblich auch ein erfolgreicher Firmenberater, spezialisiert auf die Lösung von Konflikten mit Angestellten. Das mit dem geerbten Geld mochte stimmen, aber Logan war der Überzeugung, der Rest sei kompletter Quatsch. Die Wohnung neben Dime gehörte Bernard Abronowitz, der gerade im Krankenhaus lag und sich dort von einer Operation erholte.
Die vorderste und größte der drei Wohnungen gehörte dem ehemaligen Senator Earl Blandon. Falls der in Ungnade gefallene Politiker in den Aufzug ein-, aber nie ausgestiegen war, was die Überwachungskameras vermuten ließen, dann gab es hier ein Rätsel zu lösen, das eine Herausforderung für den Grips des klügsten Kriminalbeamten darstellen mochte. Wenn er bedachte, wie ereignislos und undramatisch die letzten sechs Jahre im Pendleton gewesen waren, bezweifelte Logan, dass ein solches Rätsel auf seine Lösung wartete. Er rechnete damit, dass Blandon ihm mehr oder weniger angetrunken die Tür aufmachen würde.
Nachdem Logan dreimal geläutet hatte und ihm nicht geöffnet worden war, pochte er fest an die Tür. Er wartete und klopfte dann noch einmal.
Er hatte bereits den Pförtner angerufen, der für die Frühschicht eingeteilt war und den Nachtportier Norman Fixxer um sechs Uhr morgens abgelöst hatte, und sich bestätigen lassen, dass der Senator das Pendleton nicht im Lauf des Vormittags oder am frühen Nachmittag durch das Foyer verlassen hatte. Jetzt rief er Padmini Bahrati an, die an diesem Nachmittag um 14 Uhr zu ihrer Spätschicht erschienen war, und sie war sich sicher, dass der Senator, seit sie am Empfang saß, weder zu Fuß das Gebäude verlassen noch darum gebeten hatte, seinen Wagen in der Shadow Street vorfahren zu lassen.
Natürlich hätte Blandon das Grundstück durch das Osttor des Innenhofs verlassen, sich zu den Garagen hinter dem Pendleton begeben und wegfahren können, ohne sich den Wagen bringen zu lassen. Da diese Möglichkeit nicht auszuschließen war, rief Logan Tom Tran an und bat ihn, auf dem Garagenstellplatz des Senators nachzusehen.
Zwei Minuten später berichtete der Hausmeister, Blandons Mercedes stünde in der Garage. Demnach war er nicht weggefahren.
Nachdem er noch einmal auf die Klingel von 3- D gedrückt und niemand ihm geöffnet hatte, schloss Logan die Tür mit seinem Hauptschlüssel auf. Falls der Senator zu Hause war, hatte er weder die Sicherheitskette vorgelegt noch den Riegel vorgeschoben, der sich vom Hausflur aus nicht öffnen ließ.
Logan hielt die Tür auf, blieb aber im Hausflur stehen, während er
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