Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin
würde, schmeckte bitter wie Galle. Es fühlte sich fast so an, als würde er sie mit einer anderen betrügen.
Und außerdem wusste sie noch immer nicht, ob sie ihm damit schaden konnte. Sie dachte an Noah und wie er sich verändert hatte, nachdem er in die Klauen des Nachtmahrs geraten war. Es schien, als würde ein schleichendes Gift seinen Charakter zerstören oder ihn in etwas gewissenlos Böses verwandeln. Wie konnte sie riskieren, das Gleiche mit Jason zu machen?
Nein! Sie musste eine Möglichkeit finden, ihn vor dem dunklen Wesen in ihr zu beschützen.
»Verdammt, es muss doch ein Gefängnis geben, das stark genug ist, einen Nachtmahr im Zaum zu halten!«
Der Kater zuckte unter ihrer lauten Stimme zusammen und floh unter den Küchentisch, als Lorena unvermittelt aufsprang. Ja, das war die Lösung. Das konnte funktionieren. Sie rannte die schmale Stiege hinauf, die auf den Dachboden führte. Der vordere Teil war mit allem möglichen Kram vollgestellt. Möbel und Kisten voller Bücher und Unterlagen aus dem Haus ihrer Eltern, von denen sie sich noch nicht hatte trennen können, es aber auch nicht ertrug, sie um sich zu haben. Daher waren die beiden Zimmer unten eher spartanisch eingerichtet. Lorena beachtete das Gerümpel nicht. Sie bahnte sich ihren Weg zum hinteren Giebel, wo mit einfachen Holzwänden eine Kammer abgetrennt war. Damals, als sie hier eingezogen war, hatte sie vorgehabt, sich dort ein kleines Arbeitszimmer einzurichten, doch weit waren ihre Pläne nicht gediehen. Die Wände waren zwar tapeziert, und es lag ein Teppich auf dem Boden, doch außer einem alten Schreibtisch, den der Vermieter ihr überlassen hatte, war das Zimmer noch immer leer und unbenutzt.
Das würde sich jetzt ändern!
Lorena rüttelte an der Tür und klopfte gegen die Wände. Sie schienen ihr stabil genug, und an der Tür konnte man ja noch etwas machen. Aufgeregt rannte sie die Treppe wieder hinunter und suchte in ihrem alten Taschenkalender eine Telefonnummer heraus.
Das würde nicht einfach werden. Ihr war klar, dass der Mann nicht erfreut sein würde, von ihr zu hören. So, wie er damals nach getaner Arbeit davongerast war, hoffte er vermutlich, den Rest seines Lebens von dieser Psychopathin, für die er sie vermutlich hielt, befreit zu sein.
Psychopathin, dachte Lorena. Hielt er sie etwa für eine Serienkillerin, die ihre Opfer hierher in ihre Wohnung lockte?
Na ganz so daneben liegt er mit seiner Einschätzung ja nicht!
Ich habe nie einen Menschen getötet , widersprach Lorena entrüstet.
Bist du dir da so sicher?
Nein, sicher war sie sich nicht, auch wenn noch so viele ihrer Erinnerungen in der Finsternis verborgen lagen. Und von dem, was sich ab und zu vom Grund ihres Bewusstseins löste, wusste sie nicht so genau, ob es echte Erinnerungen waren oder nur Ängste und Befürchtungen, die sich in Bilderfolgen zusammenschlossen und ihr vorgaukelten, ein Teil ihrer Vergangenheit zu sein.
Lorena konzentrierte sich auf die Telefonnummer des Elektrikers und hielt die Luft an, als es am anderen Ende zu läuten begann.
Nein, begeistert war der Elektriker aus dem Eastend nicht gewesen, wieder von ihr zu hören, doch offenbar hielt er sie doch nicht für eine geisteskranke Serienkillerin, denn er kam bereits am nächsten Tag, besah sich die Kammer und die Tür und hörte sich Lorenas Wunsch an.
»Kann ich schon machen«, sagte er knapp, fuhr wieder davon und kam am Nachmittag mit allen nötigen Gerätschaften zurück. Stumm werkelte er vor sich hin, während sich Lorena lieber von ihm fernhielt. Sie hatte nicht den Eindruck, dass er sich in ihrer Gesellschaft wohlfühlen würde. Er wollte nicht einmal einen Kaffee aus ihrer Hand annehmen. Also unterdrückte sie ihre Unruhe und wartete in der Küche, bis sie seine Schritte auf der Treppe hörte.
»Fertig«, sagte er und nannte ihr die Summe, die sie sofort bar beglich. »Kommen Sie, ich zeig Ihnen, wie es funktioniert.«
Lorena nickte und folgte ihm in die Dachkammer. Er schloss die nun mit Eisenbändern verstärkte Tür und legte einen Schalter um.
»Sie können es zu jeder beliebigen Tageszeit hier ein- und ausschalten. Nur nachts gibt es eine Automatik, die Sie nicht unterbrechen können. Eine Minute vor zwölf schließt sich die Tür, und der Riegel wird unter Strom gesetzt. Um eins schaltet es dann wieder von selbst ab, und die Tür kann geöffnet werden. Ist das so, wie Sie es sich vorgestellt haben?«
Lorena bejahte und dankte ihm für seine Mühe. Sie
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