Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)
haben, was anstelle Ihres Mannes zu sehen war?«
Dieser kleine Bluff haute Peuker um. Er ächzte. Dann wirkte er mit einem Mal etwas verlegen. Er murmelte kleinlaut: »Dass ich mit einem Mädchen geschnackt habe.«
»Ach? Sie wollen mit einem Mädchen geredet haben?«
»Ja.«
»Warum?« Dass Peuker diese Begegnung bisher nie erwähnt hatte, thematisierte Dr. Grede an dieser Stelle nicht. Allerdings war dies ein gravierender Unterschied zu seinen bisherigen Aussagen.
»Na, als ich mein Fahrrad aufgepumpt habe, hat die immer zu mir rüber geguckt.«
»Ach. Und worüber haben Sie denn beide so geredet? War es etwas Unanständiges oder Ihnen sonst irgendwie Peinliches? Immerhin haben Sie uns diese Begegnung bisher verheimlicht.«
Der Vorwurf kam an. Peuker wirkte betroffen. Sein Widerstand war gebrochen. »Nein, so war es nicht. Ich bin mit Absicht vom Rad gestiegen, als ich das Mädchen da hocken sah. Mein Rad hab ich vorsichtig an einen Baum gelehnt und bin zu ihr hin.«
»Warum?«
»Ich hatte im Körbchen noch Kuchen und hinten das Kaninchen von Oma dabei.«
»Sie haben mich missverstanden. Ich meine nicht, warum Sie vorsichtig mit Ihrem Fahrrad waren, sondern warum haben Sie überhaupt angehalten?«
»Sie hätte das Kaninchen anfassen dürfen.« Manfred Peuker nickte versonnen. »Angehalten habe ich, na, weil ich mal wollte. Ganz klar. Bin ja auch in dem Alter. Ich hatte noch nie eine Frau. Alle erzählen immer davon. Von denen hatte schon jeder eine Freundin gehabt. Aber ich? Bis ich mal ein Mädchen bekomme, kann ich immer nur selbst ...« Er brach ab.
Dr. Grede half ihm weiter: »Seit einiger Zeit beschäftigt Sie also lebhaft der Gedanke, mit einem Mädchen zu schlafen?«
»Ja. Ich wollte endlich ein richtiger Mann sein. Wie die anderen in meiner Klasse. Und ich hatte ein Ziel. In diesem Sommer wollte ich es machen.«
Judith Brunner war sich schon vor ein paar Minuten sicher gewesen, worauf dieses Verhör hinauslaufen würde: auf ein Geständnis. Womit sie nicht gerechnet hatte, war die Kaltblütigkeit, aber auf der anderen Seite auch die Naivität dieses Täters. Da findet er keine Partnerin für eine sexuelle Beziehung und fängt an umherzustreifen. Er beobachtet wie ein Raubtier seine Umwelt und sucht sich dann gezielt ein jüngeres, schwächeres Opfer. Er missbraucht und ermordet ein unschuldiges Kind. Leider waren Täter wie Peuker kein Einzelfall. Doch ab heute würde zumindest einer weniger von diesen Männern unterwegs sein, dachte sie grimmig.
Hans Grede leitete Peuker zu weiteren Aussagen. »Und am Sonnabend ergab sich eine Gelegenheit?«
Die Antwort bestand aus einem lockeren Achselzucken.
»Ja? Oder nein?«
Peuker zögerte. »Na, ja.«
Grede beugte sich zu ihm über den Tisch und sah Peuker auffordernd an. »Ich höre! Von Anfang an, bitte!«
Peuker begann ungehemmt zu reden: »Am Morgen habe ich wieder im Kuhstall im Dorf geholfen. Als dort alles erledigt war, habe ich mich gewaschen und umgezogen, denn ich wollte ja zu meiner Oma. Ich ging in unsere Scheune. Dort stand mein Rad und ich pumpte Luft auf die Reifen. Dabei fiel mein Blick auf den ollen Schlauch. Den konnte ich für alle Fälle mitnehmen. Auf meinem Gepäckträger war sowieso die Holzkiste für’s Karnickel befestigt. Da meine Mutter mir auch noch einen Blumentopf, den ich auf das Grab meines Großvaters stellen sollte, mitgegeben hatte, konnte keiner den Schlauch sehen.«
Dass Manfred Peuker so ausdrücklich das Tatwerkzeug erwähnte, zeigte deutlich, dass der Schlauch eine besondere Rolle spielen sollte. Dr. Grede hakte nach. »Warum nahmen Sie den Schlauch mit?«
Die Erklärung lag für Peuker auf der Hand. »Na, falls ich unterwegs was Passendes treffen würde, wollte ich sie fragen, ob sie es mit mir macht, und wenn sie sich wehren würde, wollte ich ihr mit dem Schlauch die Richtung weisen. Das machen die Leute hier auch bei ihren störrischen Tieren. Ich wusste, dass sich ein Mädchen wehren kann, und dann wollte ich ihr damit eine überziehen.«
Dr. Grede lehnte sich wieder zurück. »Woher wussten Sie denn, dass Mädchen sich verteidigen können?«
»Von meiner Schwester. Die ist öfter mal ausgegangen. Sogar schon mit Soldaten. Sie hat mir erzählt, wie Mädchen das so machen: angefangen bei Backpfeifen bis hin zu Tritten in die Eier. Und auch meine Mutter hat so was angedeutet. Da dachte ich mir: Besorg dir lieber was, womit du zurückhauen kannst, wenn ein Mädchen, das du willst, dich
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