Nachtsafari (German Edition)
nachhelfen.
»Vergiss es. Der Typ müsste uns bis hierher gefolgt sein, und welchen Grund sollte er haben, uns anzustarren?«
»Das weiß ich doch nicht. Sag du’s mir«, gab sie schnippisch zurück.
Marcus war an eine Kreuzung gelangt und hielt an. »Ich muss mal pinkeln«, sagte er. »Bitte sieh mal auf der Karte nach, ob es bald einen Rastplatz gibt. Schnell, wenn’s geht.«
Silke lächelte und studierte kurz die Karte. »In zwanzig Kilometern ist ein Picknickplatz mit Toiletten eingezeichnet.«
»Das halte ich nicht aus. Gibt es nicht einen Ansitz in der Nähe? Hide heißt das hier.«
Silke fuhr mit dem Finger die eingezeichnete Straße nach. »Hier, in circa acht Kilometern auf der linken Seite liegt … Mphafa Hide – so steht es hier. Ob es da einen Lokus gibt, weiß ich nicht. Es ist jedenfalls keiner eingezeichnet. Sonst kannst du ja eine Coladose benutzen. Ich trinke sie vorher leer.« Sie kicherte.
Marcus verzog genervt das Gesicht. »Gibt es hier irgendwo einen Aussichtspunkt?«, drängte er.
Silke senkte ihren Blick wieder auf die Karte. »In fünf Kilometern ungefähr ist einer. Viewsite, steht da. Da willst du doch nicht …?«
Marcus bog nach links ab. »Aber sicher. Da kann man aussteigen. Das reicht. Du kannst ja Wache stehen und mich warnen, wenn sich ein Löwe nähert.« Er trat aufs Gas.
»Du darfst hier nur vierzig Stundenkilometer fahren«, murmelte sie vorwurfsvoll.
Marcus ignorierte ihre Bemerkung und raste unvermindert schnell weiter. Die Räder gerieten kurz in die weiche Böschung und drehten durch, der Wagen schlingerte, sodass Silke sich erschrocken am Haltegriff festklammerte.
»Bist du lebensmüde?«, japste sie.
»Sorry, aber es pressiert wirklich«, knurrte er und rutschte auf dem Sitz herum.
Endlich kam der Aussichtspunkt in Sicht, aber als sie näher kamen, mussten sie entdecken, dass er mit einem Wagen aus Jo hannesburg besetzt war. Die Insassen, zwei Paare, waren ausgestiegen und filmten.
»Da wird’s nichts. Zu viele Zuschauer. Soll ich die Cola leer trinken?«, fragte sie mit mitfühlender Miene und lachte laut los, als er ihr die Zähne zeigte.
»Halt dich fest«, rief er und drückte das Gaspedal durch. Die Nadel kletterte schnell auf sechzig Stundenkilometer.
»Um Himmels willen, hier geht es doch nicht um Leben oder Tod«, protestierte sie.
»Irgendwo muss dieser blöde Hide doch sein«, knurrte er und spähte nach vorn.
»Dahinten ist das Schild zum Mphafa Hide«, sagte sie kurz darauf. »Fahr langsamer, sonst schaffst du die Kurve nicht.«
Der Geländewagen schleuderte um die Kurve auf einen schmalen, mit losem Geröll bedeckten und von tiefen Furchen durchzogenen Sandweg. Links daneben verlief ein felsiges Flussbett. Nur noch wenige Wasserpfützen glitzerten zwischen den ockerfarbenen Felsen. Silke ließ ihr Fenster herunter. Brütende Hitze, geschwängert vom Gestank irgendeines Wildtieres, strömte herein. Sie rümpfte die Nase und steckte den Kopf hinaus. Das hohe Sirren der Zikaden vibrierte in der Luft, eine Taube lachte von einer Baumkrone herunter. Kein Mensch war zu sehen oder zu hören.
»Halleluja«, sagte Marcus, bremste scharf unter einer lichten Baumgruppe, die etwas Schatten warf. »Nichts wie raus.« Er ließ den Motor laufen.
»Hoffentlich gibt’s hier eine Toilette«, sagte sie und reckte den Hals.
Durch die gegenüberliegende Gittertür, die den Zugang zum Mphafa Hide verschloss, konnten sie den knapp einen Meter breiten Pfad erkennen, der nur durch einen Bretterzaun gegen die umliegende Wildnis geschützt war. Der Mphafa Hide selbst war von hier aus nicht zu sehen.
Marcus lachte etwas überdreht. »Das ist mir so was von egal. Ich schaff’s eh nicht weiter als bis zum Busch da drüben.«
Silke stieß die Tür auf und setzte einen Fuß auf das Trittbrett, um herunterzuspringen. Im selben Moment packte Marcus ihren Arm und riss sie zurück.
»Tür zu, schnell!«, zischte er, und als sie zu überrascht war, um zu reagieren, warf er sich über ihren Schoß, rammte ihr dabei den Ellbogen in den Magen, kümmerte sich nicht um ihren Aufschrei, sondern angelte nach der Tür und zog sie mit einem Ruck zu.
»Was ist denn jetzt los? Du hast ja einen Knall!« Silke schubste ihn zurück und rieb sich ihre Bauchgegend. »Du tust mir weh. Und was sollte das überhaupt?«
Marcus deutete stumm zu der Baumgruppe. Silke folgte der Richtung seines Zeigefingers, und plötzlich wurde ihr der Hals eng. Keine drei Meter vom Auto entfernt
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