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Nachtseelen

Titel: Nachtseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krouk Olga
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Wucht in einen der Dachbalken ein.
    Alba schluckte vernehmlich. Sie konnte tatsächlich ein Messer werfen! , war ihr erster Gedanke, und der zweite: Gütiger, wäre sie nicht aus der Übung gewesen, hätte er jetzt die Klinge im Hals stecken gehabt.
    Â»E-e-es t-tt…«, begann sie, aber Georg besaß nicht Finns Geduld, sich ihre stotternde Entschuldigung anzuhören.
    Â»Du hättest mich umbringen können!« Er packte den Griff und zog an der Waffe. Doch sie bewegte sich keinen Millimeter heraus, und er musste daran rütteln, bis er sie frei bekam. Mit der Fingerkuppe tastete er über die Spitze, was seine Stimmung nicht verbesserte. »Und überhaupt, so ein Ding ist verboten, wo hast du es her?«
    Alba antwortete nicht, während er mit dem Fuß auf den Boden tippte. Seine Haltung ähnelte der eines großen Bruders, der seine Schwester beim Spielen mit Streichhölzern erwischt hatte. Ob er der Mami petzen
würde? Sie schmunzelte, was ihn gänzlich aus der Fassung brachte. Nun sah er sie an, als wäre sie eine Gestörte.
    Â»Was … was ist bloß mit dir los?«, stammelte er, und es erfüllte Alba mit Genugtuung zu beobachten, wie der sonst selbstbewusste Georg plötzlich um Worte kämpfen musste. Verstand er jetzt, wie es ihr erging? Vermutlich nicht.
    Alba erhob sich und nahm ihm das Messer aus der Hand. Immerhin gehörte es ihr. Und es gefiel ihr, etwas bei sich zu haben, was verboten, gar strafbar war.
    Â»Ich habe mir schon gedacht, dass ich dich in diesem Loch finde«, schnaubte Georg.
    Das kränkliche Licht der Lampe verlieh seinem Gesicht etwas Unwirkliches, beinahe Feenhaftes. Auch wenn der Verdruss seine Züge verzerrte, wirkte er vollkommen. Doch seine Anwesenheit spendete Alba keine Wärme mehr. Wenn sie ihn ansah, empfand sie … nichts.
    Ich könnte jetzt die Arme ausstrecken und dich berühren. Aber dein Wesen berührt mich nicht. Nicht mehr.
    Sie fragte sich, ob da jemals ein Gefühl gewesen war. Oder ob sie sich an diese Leere so gewöhnt hatte, dass sie etwas zu spüren geglaubt hatte, was es nie gab. Wie ein Kind, das in ein dunkles Zimmer starrte und mit der Zeit Gestalten sah, die dort nicht weilten.
    Â»Seit dem verfluchten Macbeth-Brief denkst du an nichts anderes als an Hermann Herzhoff. Und das, nachdem er zwölf Jahre lang für dich nicht existiert
hat!« Er packte sie am Oberarm. »Komm, wir gehen jetzt.«
    Sie rührte sich nicht vom Fleck, als wären ihre Füße mit dem Boden verwachsen.
    Â»Komm schon!«, forderte er und machte Anstalten, sie mit sich zu ziehen wie eine Ziege, die bockte. Aber die Alba, die so etwas geduldet hätte, existierte nicht mehr. Stattdessen erwachte das Mädchen in ihr, das gelernt hatte, ein Messer auf eine Zielscheibe zu werfen.
    Alba bog seine Finger an ihrem Arm auseinander. Georgs bestürzter Blick wanderte an ihr entlang, schweifte durch den Raum, als suche er dort nach Erklärungen, und fiel auf die Zeitungsartikel. Leichenblässe überzog sein Gesicht. So eine Reaktion hätte Alba von dem Georg, den sie kannte, nicht erwartet. Sie rätselte, was ihn in solchem Maße erschüttert haben könnte.
    Â»Oh Gott. Liebes …«
    Eben erst hatte Alba geglaubt, dass nichts, was Georg künftig tat, sie noch berühren konnte. Doch diese drei Worte, die sich von seinen bleichen Lippen lösten, erschütterten sie.
    Er breitete seine Arme aus, um sein kleines Mädchen an sich zu ziehen, aber Alba duckte sich. Sie wollte keine Umarmung. Nicht jetzt.
    Mitten in der Bewegung erstarrte er, überrascht von der Zurückweisung. »Beruhige dich«, redete er sanft auf sie ein. Wieder ganz er selbst, in Sorge um ihr Seelenheil. »Ich weiß, was du jetzt empfindest.«

    Worte, einfach nur Worte. Wie unbedacht er damit umging! Alba fühlte sich ihm fern wie noch nie. Hatte sie ihn jahrelang als einen guten Freund, gleichermaßen wie einen großen Bruder zu schätzen gewusst, stand sie nun einem Fremden gegenüber.
    Â»Alba, Schatz, lass uns von hier verschwinden und …«
    Demonstrativ setzte sie sich auf die Rotkäppchen-Truhe. Wenn er sie von hier wegschaffen wollte, brauchte er mindestens einen Gabelstapler.
    Georg senkte die Arme. »Okay, du willst wissen, was das zu bedeuten hat.«
    Ja, für den Anfang wäre das nicht schlecht.
    Er lehnte sich gegen einen Karton, ohne auf den Staub zu

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