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Nachtsplitter

Nachtsplitter

Titel: Nachtsplitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja von Vogel
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gestern
     von Pia und mir gemacht hatte. Als wir Sekt getrunken, gelacht und herumgealbert hatten. Manchmal tröstete es mich, meine
     Filme noch einmal anzuschauen. Die Filme logen nicht. Sie waren immer ehrlich. Aber mein Handy war nicht mehr da.
    Ich ging zum Fenster und sah hinaus. Der Mond stand direkt über dem Giebel des gegenüberliegenden Hauses und tauchte die leere
     Straße in fahles Licht. Fast alle Häuser in der Nachbarschaft warendunkel. Die Fenster schwarze Rechtecke, hinter denen Menschen schliefen, träumten oder wach lagen, in die Dunkelheit starrten
     und den Morgen herbeisehnten. Eine Katze stolzierte mit hochgerecktem Schwanz über den Bürgersteig, als würde die ganze Gegend
     ihr gehören.
    Ich wollte gerade die Gardine zuziehen, da sah ich es. Das Auto stand auf der anderen Straßenseite, schräg gegenüber von unserem
     Haus. Es war ein dunkler Passat Kombi. Er wäre mir vermutlich gar nicht aufgefallen, wenn nicht plötzlich ein Licht im Inneren
     aufgeleuchtet hätte. Für eine Sekunde nur. Ein Feuerzeug. In dem Wagen saß jemand und rauchte. Ich konnte die Glut der Zigarette
     sehen.
    Automatisch machte ich einen Schritt zurück in die Sicherheit meines Zimmers. Trotzdem meinte ich, seinen Blick auf meiner
     Haut zu spüren. Er war hier. Ganz in der Nähe. Er wusste, wo ich wohnte. Er beobachtete mich. Gestern war ich ihm entwischt,
     aber so schnell gab er nicht auf.
    Ich riss an den Gardinen, zog sie vors Fenster, um den fremden Blick auszusperren. Mein Atem ging stoßweise, mein Puls raste.
     Ohne Licht zu machen, zerrte ich die Jeans herunter, schlüpfte ins Bett und zog mir die Decke über den Kopf. Ich rollte mich
     zu einer Kugel zusammen und schlang die Arme um die Knie. Trotzdem war mir kalt. Ich zitterte am ganzen Körper.
    Und erst jetzt wurde mir klar, warum ich dasSchlafengehen so lange wie möglich hinausgezögert hatte.
    Ich hatte Angst vor meinen Träumen. Genauer gesagt, vor einem ganz bestimmten Traum. Ich wollte nicht wieder in den dunklen
     Wald zurück. Ich wollte nicht wissen, was auf der Wiese geschehen war.

Montag
    1
    Der Unfall war natürlich das große Thema in der Schule. Alle redeten davon und jeder hatte andere Informationen. Die meisten
     waren auf dem Festival gewesen, aber die wenigsten hatten etwas wirklich Neues zu berichten.
    Ich hätte mir am liebsten die Ohren zugehalten. Ich wollte nichts davon hören, den Abend einfach vergessen. Abhaken. Aus meinem
     Kopf streichen.
    Nachts hatte ich noch ewig wach gelegen, gefangen in meiner Angst. Irgendwann war ich eingeschlafen, ohne etwas zu träumen,
     und dafür war ich sehr dankbar.
    Morgens hatte ich sofort nach dem Auto Ausschau gehalten, aber es war verschwunden. Auf dem Weg zur Schule sah ich mich mehrmals
     um, konnte es jedoch nirgendwo entdecken.
    Hör endlich auf damit, Jenny. Wahrscheinlich war da nie ein Auto vor dem Haus. Du bekommst allmählich Verfolgungswahn.
    Auf dem Fahrrad war es noch kühl, aber der Himmelwar wolkenlos und die Sonne kletterte bereits über die Dächer. Vermutlich würde ich mich spätestens in der ersten großen Pause
     in meiner schwarzen Stretchjeans zu Tode schwitzen. Doch das war nicht zu ändern. Meinen Lieblingsrock hatte ich gestern Abend
     in die Waschmaschine gesteckt, er war noch feucht.
    »Hast du schon das Neueste gehört?«, fragte Pia, die wie immer bei den Fahrradständern auf mich wartete. Sie trug ihren neuen,
     unverschämt kurzen Jeans-Minirock und dazu ein knappes Top in Babyrosa. Dass sie die Blicke sämtlicher Jungs auf sich zog,
     schien sie nicht im Geringsten zu stören. Im Gegenteil, das war ja gerade der Sinn der Sache. Ich musste grinsen. Wenigstens
     etwas, das sich nicht geändert hatte.
    »Guten Morgen erst mal.« Ich schob mein Fahrrad in einen der letzten freien Ständer und schloss es ab. Die anderen Schüler
     strömten bereits in Richtung Schule. Ich war spät dran.
    Pia erhob sich von der Bank, auf der sie sich niedergelassen hatte, und kam zu mir herüber. »Angeblich sind Lara und Marie
     Samstagnacht von der Polizei befragt worden. Jetzt ziehen sie eine Riesenshow ab.«
    »Wenn sie meinen . . .«, sagte ich ohne großes Interesse.
    Als wir unseren Klassenraum betraten, thronten die beiden nebeneinander auf ihrem Tisch wie zweiPrinzessinnen, eine Schar treuer Bewunderer um sich herum, die ihnen förmlich an den Lippen hing.
    »Das war echt der Wahnsinn«, erzählte Lara gerade. »Ich hatte die ganze Zeit Schiss, dass ich einen

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