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Nächsten Sommer

Nächsten Sommer

Titel: Nächsten Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Rai
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Pluspol will sich in den Kampf stürzen und ihn zum Helden machen.
    Jeanne sieht zu Jürgen auf und schüttelt zaghaft den Kopf.
    »Komm jetzt!«, ruft Jürgen verzweifelt.
    |210| »Echt, Mann«, Marc kann Jeannes Anblick nicht länger ertragen, »so läuft das nicht.«
    »Schnauze. Das gilt auch für dich!«
    Marc stellt die Gitarre ab und will aufstehen. »Hören Sie mal: Sie können hier nicht einf…«
    Zu mehr hat Marc keine Gelegenheit, denn Jürgen packt ihn am Kragen, hievt ihn aus dem Stuhl und bringt ihn auf Augenhöhe. »Schnauze, hab ich gesagt!«
    Damit schleudert er Marc über die Terrasse, der schmerzhaft auf dem Hintern landet. Ein Flip-Flop fliegt in Zeitlupe durch die Luft, verlässt den Schatten des Schirms, funkelt für zwei Umdrehungen in der Morgensonne wie ein springender Delphin und bohrt sich hochkant in die Butter.
    Nur Jeanne sitzt noch. Lilith ist bei Marc, Zoe und ich sind aufgestanden, Bernhard hat sich aus seinem Magnetfeld befreit und ist auf die Terrasse getreten.
    »Jetzt reicht’s aber!«, ruft Zoe.
    Marc, der die Hände hinter dem Rücken aufgestützt hat, sagt: »Du bist aber
so
was von bescheuert, hey – das gibt’s ja gar nicht!«
    »Du sollst den Rand halten!«
    »Nicht«, meldet sich Jeanne zu Wort, »hör auf, Jürgen, bitte! Ich komme auch mit.«
    »Kommt überhaupt nicht in Frage!«, ruft Zoe.
    Marc ist noch bei Jürgen. »Erzähl mal«, legt er nach, »wie lebt sich’s eigentlich so – ohne Gehirn?«
    Was jetzt passiert, geschieht sehr schnell. Bevor sich Marc mit Liliths Hilfe aufgerappelt hat, greift sich Jürgen seine Gitarre und ist in zwei Schritten bei ihm.
    »Nicht!«, schreit Marc.
    »Nicht!«, rufen Zoe und Jeanne.
    »Nicht!«, schreit Bernhard.
    Lilith will sich Jürgen noch in den Weg stellen, doch der drückt sie mit einer Handbewegung in die Büsche, bevor er Marc die Gitarre über den Schädel zieht, wo sie mit lautem Krachen zerbirst.
    »Fuck!«, schreit Marc, der noch versucht, seinen Kopf abzuwenden. Jetzt windet er sich auf dem Boden und drückt schützend die Hände auf sein linkes Ohr.
    |211| Jürgen steht breitbeinig über ihm. Von seiner Hand baumelt die Gitarre, deren Korpus nur noch durch die Saiten mit dem Hals verbunden ist. »Schnauze!«, ruft er.
    »Fuck, Mann!«, ruft Marc, unter dessen Hand Blut hervorläuft, »fuck, fuck, fuck!«
    »Das hätten Sie nicht tun dürfen«, sagt Bernhard, der sich wie ferngesteuert auf Jürgen zubewegt.
    »Du hältst dich raus!«, ruft Jürgen, der in einer Schleife festzustecken scheint.
    »Das hätten Sie nicht tun dürfen«, wiederholt Bernhard, und zum ersten Mal habe ich tatsächlich Angst, dass hier gleich eine Katastrophe passiert.
    Jürgen holt aus, merkt, dass die Gitarre nur noch ein loser Verbund einzelner Teile ist, lässt sie fallen und will Bernhard einen Fausthieb verpassen, als er realisieren muss, dass Bernhard ihm bereits wie ein Stier die Stirn in die Brust gerammt hat und ihn rückwärts über die Terrasse schiebt, schneller und schneller, bis Jürgen mit rudernden Armen die Stufen in den Garten hinunterstürzt, wo Bernhard sich auf ihn wirft und mit den Fäusten traktiert.
    »Das hätten Sie nicht tun dürfen!«, ruft er, während Fleisch aufplatzt und Knochen auf Knochen treffen. »Das hätten Sie nicht tun dürfen!«
    Da ist Blut, viel Blut. Erst war Jürgen zu perplex für eine Gegenwehr, jetzt ist er zu benommen. Bernhard aber findet keinen Ausstieg. »Das hätten Sie nicht tun dürfen!«
    Jeanne sitzt am Tisch, presst sich die Hände auf die Ohren, schreit »aufhören, aufhören«, und erst jetzt setze auch ich mich in Bewegung.
    Bis ich bei ihnen bin, hält Jürgen nicht einmal mehr die Arme vors Gesicht. Ich klammere mich an Bernhards Bizeps und ziehe ihn von Jürgen herunter. Im ersten Moment erkennt er mich gar nicht, aber dann lässt er es geschehen. Seine Hand ist wie in Blut getaucht. Erst denke ich, dass es Jürgens Blut sein muss, doch dann sehe ich die aufgerissenen Fingerknöchel, die Knochen und Sehnen, die zum Vorschein kommen. Bernhards Gesicht ist tränenüberströmt, er heult wie ein Kind. Schmerzen jedoch scheint er keine zu spüren.
    |212| »Das hätten Sie nicht tun dürfen«, stammelt er ein letztes Mal und drängt vorwärts, doch dann ist die Luft raus, und er lässt sich von mir zu den Stufen schieben, wo er sich hinkauert und seinen Tränen überlässt und allem, was mit ihnen herausgespült wird. Zoe ist bei ihm, hält ihn, legt seinen Kopf in ihren Schoß und

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