Nächte in Babylon
sich eine Tasse Zucker ausborgen?«
»Darf ich reinkommen?«
Special trat zur Seite und bat sie mit einer galanten Verbeugung herein. Als er die Tür wieder zumachen wollte, stellte Vignons Mann schnell den Fuß dazwischen.
Anna blickte sich um. »Hier bin ich noch nie gewesen«, sagte sie. »Ist ja gar nicht mal so übel, Ihr Quartier.«
»Warum haben Sie nicht vorher angerufen? Ich hätte uns ein Tässchen Tee gemacht und einen Teller Plätzchen rausgestellt.«
»Sie wissen, wer ich bin?«
»Aber sicher«, sagte er. »Sie sind der Schwarm von Vincent, der kleinen Ratte. Kaum zu glauben, dass der Cowboy und der Franzmann Sie in meine Nähe lassen. Aber die wissen bestimmt gar nicht, dass Sie mich besuchen, richtig?«
»Normalerweise bekomme ich immer, was ich will.«
»Das glaub ich Ihnen gern.«
Sie gab ihm die Flasche.
»Ein kleines Geschenk zum Einzug.«
Es war ein Haut-Brion, was sonst.
»Na, wenigstens bin ich nicht der Einzige in diesem Laden, der weiß, was schmeckt.«
Er holte zwei Gläser. Entkorkte die Flasche. Reichte ihr ein Glas. Sie stießen an.
»Nicht zu verachten«, sagte Special. »Wollen Sie mir schnell verraten, was Sie von mir wollen, bevor Ihre beiden Gorillas aufkreuzen und mir die Arme ausreißen?«
»Darf ich mich setzen?«
»Sie zahlen die Miete.«
»Ich möchte mehr über ihn erfahren«, sagte sie.
»Über wen? Vincent? Wieso? Was haben Sie davon?«
»Ich möchte wissen, was er für ein Mensch ist.«
»Wollen Sie hier den mitfühlenden Filmstar raushängen lassen, oder haben Sie etwa tatsächlich ein schlechtes Gewissen?«
»Wieso hat er es auf mich abgesehen?«
»Weil er eine durchgeknallte, geisteskranke, perverse kleine Ratte ist. Reicht das?«
»Ist es wegen einer meiner Rollen? Habe ich in einem Interview etwas Falsches gesagt? Warum ausgerechnet ich? Sie haben sein Tagebuch gelesen. Er muss doch ein Motiv haben.«
»Da ist er nicht näher drauf eingegangen. Sie überschätzen den Kerl. Er ist bloß ein ganz normal verrückter Feld-Wald-und-Wiesen-Irrer. Bei solchen Leuten kommt man mit Logik nicht weiter. Deswegen sind sie ja so gefährlich.«
Wie ein Rollkommando kamen Vignon und Spandau durch die Tür gestürmt.
»Was zum Teufel hast du hier verloren?«, wollte Spandau von Anna wissen.
»Ich musste einfach mit ihm reden.«
»Genau deswegen war es eine Schnapsidee, ihn herzubringen«, sagte Vignon. »Je weniger Sie in die Sache hineingezogen werden, desto besser.«
»Aber leider stecke ich nun mal schon bis zum Hals drin. Schließlich bin ich diejenige, die er umbringen will.« Sie wandte sich Special zu. »Danke.«
»Beehren Sie mich bald wieder.«
Vignon brachte sie nach draußen.
»Was sollte das werden?«, herrschte Spandau Special an.
Der schenkte sich in aller Gemütsruhe Wein nach.
»Nichts. Nur ein Seelenschwätzchen unter uns Pastorentöchtern.«
Spandau krallte sich in sein Hemd, riss ihn aus dem Sessel und rammte ihn gegen die Wand.
»Auf eine klare Frage will ich eine klare Antwort.«
»Wenn Sie nicht sofort Ihre Flossen wegnehmen, kriegen Sie höchstens eine hübsche, saubere Klinge in den Wanst.«
Spandau sah das Messer und wich zurück.
»Sie ist aus freien Stücken zu mir gekommen. Ich habe nicht versucht, sie mit irgendwas zu ködern.«
»Was wollte sie?«
»Reden.«
»Worüber?«
»Was glauben Sie wohl? Warum sie ein Verrückter, den sie noch nie im Leben gesehen hat, umbringen will.«
»Was haben Sie ihr erzählt?«
»Nicht viel.«
»Und dabei belassen wir es auch. Je weniger sie weiß, umso besser.«
»Es sei denn, er geht Ihnen durch die Lappen.«
»Der entkommt uns nicht.«
»Wie schon gesagt, er ist ein Spinner, aber kein Blödmann. Sie dürfen ihn nicht unterschätzen. Den Fehler hab ich auch schon gemacht, und dafür hätte er mich fast ausgenommen wie einen Fisch. Der denkt nicht so wie Sie. Es wird Ihnen nie gelingen, seine nächsten Schachzüge vorauszusehen. Mir schon eher, weil ich sein Tagebuch gelesen habe. Aber genauso gut kann er seine Pläne inzwischen auch schon hundert Mal geändert haben.«
»Vielleicht hat er aufgegeben.«
»Der gibt nicht auf«, sagte Special. »Das ist das Einzige, worauf man sich bei ihm verlassen kann. Und Sie wollen ihr wirklich nicht verraten, warum er sie auf dem Kieker hat?«
»Das Warum spielt keine Rolle.«
»Sie können es ihr nicht verdenken, dass sie wissen will, wieso der Kerl sie umbringen will.«
Special schälte seine Orange weiter.
»Dann stimmt es also?
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