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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Journalist, der zu wissen glaubte, wo der alte Marquis seine Abende zubrachte, schwieg und bewahrte seinen Ernst. Plötzlich bemerkte er zu seiner Überraschung auf der linken Wange der Gräfin, neben dem Munde, ein Mal. Nana hatte das gleiche. Das war drollig. Nur daß bei Nana blonde, bei der Gräfin pechschwarze Härchen an dem Male zitterten. Einerlei! ... Diese Frau hatte keinen Umgang mit einem fremden Mann.
    Ich hatte immer das Verlangen, die Königin Auguste zu sehen, bemerkte die Gräfin. Man sagt, sie sei so gut, so fromm ... Glauben Sie, daß sie den König begleiten werde?
    Man glaubt es nicht.
    Diese Frau hatte keinen Liebhaber, das war klar. Es genügte, sie in der Nähe ihrer so unbedeutenden Tochter zu sehen, um an ihre Tugend zu glauben. Dieser Salon mit seiner Grabesstille, seiner Kirchenluft, erzählte genugsam, unter welch eiserner Hand, in welcher starren Existenz sie gedrückt lebte. Nichts von ihrem Wesen hatte sie dieser antiken, feuchtschwarzen Wohnstätte zu verleihen vermocht. Graf Muffat mit seiner frommen Erziehung, seinen Bußen und seinen Fasten herrschte hier unbeschränkt. Doch der Anblick des kleinen Greises mit den schlechten Zähnen und dem feinen Lächeln, den er plötzlich in seinem Sessel hinter den Damen entdeckte, war für ihn ein noch entscheidenderer Beweis. Er kannte diese Persönlichkeit. Es war Herr Theophil Venot, ein ehemaliger Advokat, Spezialist für kirchliche Prozesse. Er hatte sich mit einem schönen Vermögen zurückgezogen, führte eine geheimnisvolle Existenz, wurde überall empfangen, sehr ehrerbietig begrüßt, sogar ein wenig gefürchtet, als ob irgendeine verborgene Macht hinter ihm einherschreite. Er war Verwalter der Magdalenenkirche und der Vertreter des Bürgermeisters, hatte die Stelle einer obrigkeitlichen Person im neunten Bezirk nur, um seine Zeit irgendwie nützlich auszufüllen, wie er sagte. Alle Wetter! ... Die Gräfin befand sich in einer guten Umgebung; da war nichts zu machen ...
    Du hast recht, hier stirbt man vor Langeweile, sagte Fauchery zu seinem Vetter. Wir werden trachten zu verschwinden.
    Steiner, den Graf Muffat und der Abgeordnete eben verlassen hatten, trat wütend in Schweiß gebadet näher und brummte vor sich hin.
    Wenn sie nichts sagen wollen, sollen sie es bleiben lassen. Ich werde schon Leute finden, die den Mund auftun.
    Dann schob er den Journalisten in eine Ecke und sagte in siegreichem Ton:
    Also morgen, wie? ... Ich bin dabei ...
    Ah, murmelte Fauchery erstaunt.
    Sie wußten das nicht? Oh, ich hatte viele Mühe, sie zu Hause zu treffen, auch ist mir der Mignon nicht von der Seite gewichen.
    Aber die Mignons werden ja dabei sein.
    Ja, sie sagte es mir. Denn sie hat mich ja schließlich doch empfangen und eingeladen. Um Mitternacht pünktlich, nach dem Theater.
    Der Bankier strahlte vor Freude und Stolz, er zwinkerte mit den Augen und fügte, die Worte eigentümlich betonend, hinzu:
    Mit Ihnen ist es eine abgemachte Sache, wie?
    Was? fragte Fauchery, der nicht zu verstehen schien. Sie wollte sich für meinen Artikel bedanken und ist deshalb zu mir gekommen.
    Ja, ja, ihr seid glückliche Leute ... Man lohnt euch ... Apropos, wer zahlt denn die Kosten morgen?
    Der Journalist öffnete die Hände, wie um zu sagen: das kann niemand wissen. In diesem Augenblick rief Graf Vandeuvres den Bankier, der den Grafen Bismarck kannte. Madame de Joncquoy war fast schon überzeugt. Sie schloß mit den Worten:
    Auf mich hat er einen ungünstigen Eindruck gemacht; ich finde, daß er bösartig aussieht. Doch will ich gerne glauben, daß er Geist hat; dafür sprechen ja auch seine jüngsten Erfolge.
    Gewiß, bemerkte mit schwachem Lächeln der Bankier, ein Frankfurter Jude.
    Inzwischen hatte La Faloise seinen Mut zusammengenommen und flüsterte seinem Vetter zu:
    Ihr eßt morgen bei einer Dame zu Abend? Bei wem, bei wem?
    Fauchery gab ihm einen Wink, daß man sie höre; man müsse auf seiner Hut sein. Jetzt wurde die Tür wieder geöffnet, und eine alte Dame trat herein, gefolgt von einem jungen Mann, in dem der Journalist sofort jenen Schüler erkannte, der in der ersten Vorstellung der »blonden Venus« das famose »Sehr schick« ausgerufen hatte, von dem man noch immer sprach. Die Ankunft dieser Dame brachte den ganzen Salon in Bewegung. Die Gräfin Sabine erhob sich lebhaft, um ihr entgegenzueilen; sie ergriff ihre Hände und nannte sie »teure Madame Hugon«. Als La Faloise bemerkte, daß sein Vetter diese Szene neugierig betrachtete,

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