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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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beeilte er sich, diesen über die Verhältnisse der Neuangekommenen in aller Kürze aufzuklären. Madame Hugon, erzählte er, sei die Witwe eines Notars. Sie habe sich nach »Aux Fondettes«, einer Besitzung bei Orleans, zurückgezogen, habe aber ein Absteigquartier in Paris in einem ihr gehörigen Hause der Richelieu-Straße. Sie halte sich jetzt wieder einige Wochen in der Hauptstadt auf, um ihren jüngeren Sohn unterzubringen, der im ersten Jahre die Rechte studiere. Madame Hugon war ehemals eine intime Freundin der Marquise von Chouard und hatte die Gräfin zur Welt kommen und heranwachsen gesehen; ja sie hatte diese sogar vor ihrer Verheiratung mit dem Grafen Muffat oft mehrere Monate bei sich gehabt, darum duzte sie auch die Gräfin.
    Ich habe Georges mitgebracht, um ihn dir vorzustellen. Du wirst auch finden, daß er gewachsen ist.
    Der junge Mann mit seinen klaren Augen und seinen blonden Löckchen, die ihm das Aussehen eines verkleideten Mädchens gaben, grüßte die Gräfin unbefangen und erinnerte sie an eine Partie Federball, die sie vor zwei Jahren in »Aux Fondettes« miteinander gespielt hatten.
    Ist Philipp nicht in Paris? fragte Graf Muffat.
    Nein, sagte die alte Dame, er befindet sich noch immer in seiner Garnison in Bourges.
    Sie hatte Platz genommen und sprach stolz von ihrem ältern Sohn, einem großen Jungen, der, nachdem er sich in einem unbesonnenen Augenblicke in die Armee hatte einreihen lassen, rasch zum Leutnant aufgerückt war. Die anwesenden Damen umgaben sie mit höflicher Achtung. Die Unterhaltung wurde wieder angeknüpft und nahm jetzt einen angeregten Verlauf. Als Fauchery diese ehrwürdige Matrone sah, dieses mütterliche, von einem gütigen Lächeln verklärte Gesicht, umrahmt von weißen Haaren, fand er es selbst lächerlich, daß er die Gräfin Sabine auch nur einen Augenblick verdächtigen konnte.
    Der große, mit roter Seide gepolsterte Sessel, in dem die Gräfin saß, zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Dieser Sessel bedeutete eine Auflehnung gegen die ganze düstere Umgebung in diesem Salon. Dieses der wollüstigen Trägheit dienende Einrichtungsstück war sicherlich nicht vom Grafen hierher geschafft worden. Es war gleichsam ein Versuch, ein Anfang zum Verlangen, zum Wohlleben. Fauchery verlor sich in Träumereien und kam immer wieder auf das vertrauliche Geständnis zurück, das jener Offizier ihm eines Abends in einem Restaurant gemacht hatte. Von einer sinnlichen Neugierde getrieben, hatte er sich darum beworben, in das Haus des Grafen Muffat Zutritt zu erhalten. Da sein Freund, der Kapitän, in Mexiko geblieben war – wer kann wissen? ... Man muß den Versuch wagen ... Es war dies ohne Zweifel eine Torheit; der Gedanke folterte ihn, das Laster erwachte in ihm.
    Der große Sessel mit der zurückgebeugten Lehne sah sonderbar aus ...
    Wollen wir gehen? fragte La Faloise, der hoffte, daß er dann näheres über die Dame erfahren werde, die morgen ein Essen geben sollte.
    Sofort, erwiderte Fauchery.
    Aber er beeilte sich nicht. Einen Vorwand zu bleiben bot ihm die Einladung, die er zu machen hatte und die nicht so leicht an den Mann zu bringen war. Die Damen sprachen von einer Nonnenweihe, einer sehr rührenden Feierlichkeit, welche die vornehme Welt von Paris seit drei Tagen beschäftigte. Die Nonne war die ältere Tochter der Baronin Fougeray, die von einer unwiderstehlichen inneren Neigung getrieben, bei den Karmeliterinnen eingetreten war. Madame Chantereau, die mit den Fougeray weitläufig verwandt war, erzählte die Baronin sei von dem Ereignis dermaßen ergriffen gewesen, daß sie am folgenden Tage das Bett hüten mußte.
    Ich hatte einen vortrefflichen Platz, sagte Madame Léonide. Die Geschichte war sehr interessant.
    Madame Hugon hingegen beklagte die arme Mutter. Welches Unglück, sein Kind so zu verlieren.
    Man sagt mir nach, ich sei zu fromm, bemerkte sie mit ruhiger Offenheit, aber das hindert mich nicht, jene Kinder für grausam zu halten, die sich in eigensinniger Weise zu einem solchen Selbstmord entschließen.
    Ja, es ist eine schreckliche Sache, murmelte die Gräfin zusammenschauernd und sich noch tiefer in ihren Sessel schmiegend.
    Die Damen sprachen darüber, ihre Stimmen wurden leiser; ein halblautes Lachen unterbrach zuweilen das ernste Gespräch. Auf dem Kamin standen zwei mit einer Rosenspitze überdeckte Lampen, die ein sanftes Licht auf die Frauen warfen. Drei Lampen waren nur noch auf verschiedenen weitab stehenden Möbeln angebracht, so daß der

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