Nathanael
Aber Cynthia schien nicht aufgeben zu wollen.
Nathanael seufzte. Es wäre wohl damals besser gewesen, zu schweigen.
Hast du Gina schon vergessen? Cynthia hatte es zwar nicht ausgesprochen, aber der Vorwurf in ihrer Stimme war nicht zu überhören gewesen. Natürlich hatte er Gina nicht vergessen und die Leere, die ihr Tod hinterlassen hatte.
Aber als er Tessa zum ersten Mal begegnet war, hatte er Gefühle gespürt, von denen er geglaubt hatte, sie existierten nicht. Je mehr er sich gegen sie zu wehren versuchte, umso stärker wuchsen sie. Dabei war sein Leben gut gewesen, ohne tiefe Gefühle oder irgendeine Verpflichtung, genau so, wie er es haben wollte.
Ja, er hatte Gina geliebt, aber auf eine sanfte Art, ohne dieses Herzklopfen. Doch seitdem er Tessa kannte, überrollten ihn jedes Mal, wenn er sie nur ansah, die Gefühle mit einer solchen Heftigkeit, dass er es körperlich spüren konnte. Er sah auf sie hinunter. Sie war einfach etwas ganz Besonderes.
Vorsichtig hangelte er nach dem Türknauf und drehte ihn. Er betrat sein winziges, spartanisch eingerichtetes Zimmer, das einem Rattenloch in nichts nachstand. Weder er noch die anderen Blutengel legten Wert auf irgendwelchen Komfort. Wozu auch? Morgen könnten sie ihr Leben im Kampf lassen.
Mit dem Ellbogen drückte er den Lichtschalter, bevor er Tessa zu seinem Bett hinübertrug und behutsam ablegte. Eine Weile stand er neben ihr und betrachtete sie.
Dass eine Frau in seinem Bett einfach nur schlief, war ein Novum. Er hätte Tessa niemals hierher gebracht, wenn ihn nicht die Umstände dazu gezwungen hätten, und erst recht nicht in sein Bett gelegt.
Aber Cynthia hatte sich geweigert, ein Zimmer für Tessa zu räumen, weil er ihr noch immer die letzten Mieten schuldete. Sie war nicht gewillt, ihm noch einen Gefallen zu erweisen. Schon gar nicht, wenn es sich um eine Frau handelte. Oft genug hatte sie früher seine sexuelle Freizügigkeit kritisiert.
Wütend hatte er Cynthia seine Kreditkarte in die Hand gedrückt, damit Tessa in seinem Zimmer nächtigen konnte, bis er eine andere Möglichkeit gefunden hatte. Doch wie wollte er innerlich Abstand zu ihr gewinnen, wenn sie jetzt auch noch in seinem Bett lag? Ihr Duft würde in den Kissen haften bleiben und ihn schmerzhaft daran erinnern, was ihm entgangen war.
Er wollte sie mit jeder Faser seines Körpers. Alles in ihm sehnte sich danach, Tessa in seinen Armen zu halten und bis zum Wahnsinn die ganze Nacht zu lieben. Er musste sich gewaltsam von dem verführerischen Anblick losreißen. Am liebsten wäre er aus dem Zimmer gestürmt, um den Rest der Nacht ruhelos durch die Straßen Manhattans zu streifen.
Tessas Kleidung war feucht, verschmutzt und stank entsetzlich. So konnte er sie nicht liegen lassen. Bei der Vorstellung, sie auszukleiden, wurde ihm ganz heiß. Es juckte ihm in den Fingern, sie ungestört zu berühren und eingehend jeden Zentimeter ihres begehrenswerten Körpers zu betrachten.
Stattdessen strich er sanft über ihre Wange. Es dauerte eine Weile, bis sie die Augen öffnete und ihn verschlafen ansah.
«Du musst aus den nassen Klamotten raus. Komm, ich helfe dir», sagte er leise.
«Ist okay. Ich schaff das schon.» Sie setzte sich mühsam auf und bückte sich, um die Schuhe auszuziehen. Als ihre Hände zitterten und sie das Gesicht verzog, hockte Nathanael sich vor sie hin.
«Lass mich dir doch helfen.»
«Also gut.»
Geschickt streifte er ihr die Slipper von den Füßen und zog die klammen Socken aus. Achtlos warf er sie beiseite. Ihre Füße waren eiskalt, und er begann sie sanft zu massieren.
Tessa lächelte.«Das machst du richtig gut.»
Sie konnte nicht ahnen, welche Versuchung sie auf ihn ausübte. Niemand konnte nachempfinden, wie schwer es ihm fiel, sie nicht auf der Stelle zu verführen.
Würde sie ihn zurückstoßen oder sich ihm willig hingeben? Schon kehrte das vertraute Ziehen in seine Lenden zurück. Hör auf und ruf Cynthia, dass sie ihr hilft, oder du kannst dich nicht mehr kontrollieren. Aber es war zu spät, um aufzuhören.
Tessa hob die Arme, um sich den Pullover über den Kopf zu ziehen. Anschließend reichte sie ihn Nathanael, der unwillkürlich den Atem anhielt, als sich ihre Brüste unter dem dünnen T-Shirt abzeichneten. Sie seufzte wohlig und er musste an sich halten, um sie nicht stürmisch in die Arme zu nehmen und zu küssen. Den Pullover warf er achtlos zu den Socken auf den Boden. Sein Herz raste wie verrückt.
Die meisten Frauen, mit denen er
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