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Nebenwirkungen (German Edition)

Nebenwirkungen (German Edition)

Titel: Nebenwirkungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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legte er den restlichen Stapel verdeckt auf den Tisch und forderte den Jungen auf, ihn in zwei beliebige Hälften zu teilen. Oliver tat es, wobei er Toms Hände genau beobachtete, doch die hatten sich nicht bewegt. Tom legte seelenruhig je eine der Karten mit dem Rücken nach oben vor die beiden Stapel. Alle Augen starrten auf seine Hände, als er die oberste Karte des einen Häufchens und die davor liegende Karte umdrehte. Karo Dame und Herz Dame. Sie passten! Schmunzelnd drehte Tom das andere Häufchen und die entsprechende Karte um. Pik 8 und Kreuz 8! Der Junge strahlte, und die Pokerrunde spendete großzügigen Applaus für den verblüffenden Kartenzauber. Als sie sich vom Tisch erhoben, nahm Tom seinen Schützling unauffällig beiseite und flüsterte:
    »Wenn du willst, verrate ich dir den Trick.« Oliver nickte freudig, doch Tom wollte eine Gegenleistung. »Dafür musst du mir aber dein Geheimnis verraten.« Ein misstrauischer Blick streifte ihn.
    »Ich habe keine Geheimnisse.«
    »Komm schon, ich habe das Blut auch gesehen.« Der Junge rang offensichtlich mit sich selbst, aber schließlich gab er nach und schlug in Toms ausgestreckte Hand ein.
    »Deal.«
    Kurz nach dem Abendessen im gigantischen, dreigeschossigen Hauptspeisesaal schlich sich Oliver an den Tisch der Herberts und zupfte Tom am Ärmel. Mit verlegenem Grinsen entschuldigte Tom sich bei seiner Frau. erhob sich und folgte dem Jungen durch die Tischreihen zu den Hinterausgängen. Zu seiner Verblüffung stiegen sie nicht in einen der Aufzüge, sondern betraten das hinter einer diskreten Tür verborgene Treppenhaus, das zu den unteren Decks führte. Vorsichtig darauf achtend, dass sie nicht gesehen wurden, führte Oliver seinen Onkel Tom immer tiefer in die Eingeweide der Crown of the Seas. Dem alten Mann war völlig klar, dass sie nicht hier sein sollten. Dieser Bereich des Schiffs machte nicht den Eindruck, als rechnete man mit Gästen. Sie mussten inzwischen achtern auf Deck zwei oder drei angelangt sein, als sie wie zwei Verschwörer vorsichtig in eine kleine dunkle Kammer am Ende eines Flurs schlüpften. Der Junge drückte den Lichtschalter und zeigte auf den Boden hinter einem Gestell voller Reinigungsmittel. Eine zerzauste Katze in einer Schachtel schaute verängstigt zu ihnen hoch. Mit geschlossenen Äuglein stritten sich mehrere winzige Junge an ihrer Brust um die paar Zitzen. Sie waren wohl erst ein oder zwei Tage alt, schätzte Tom.
    »Das ist also dein großes Geheimnis«, sagte er, erleichtert und besorgt zugleich. Ein mit dunklen Flecken gespicktes Tuch diente als Polster in der Schachtel. Eingetrocknetes Blut; die Geburt musste hier stattgefunden haben. Neben dem improvisierten Bett standen eine Schale mit Milch und ein kleiner Teller mit Essensresten. Oliver schien seine Pflichten als Katzenvater ernst zu nehmen.
    »Ich habe Susan zufällig beim Spielen entdeckt. Meinst Du, die haben Schiffskatzen, um Mäuse zu jagen?« Tom lachte.
    »Susan, hmm. Aber doch nicht auf diesem Luxuskahn. Hier gibt es weder Mäuse noch Katzen, glaube ich jedenfalls. Die Besatzung achtet mit Sicherheit peinlich genau darauf, dass sich kein Ungeziefer ausbreitet. Die haben wohl eine sehr gut funktionierende Brigade von Kammerjägern. Nein, Oliver, die brauchen keine Katzen.« Der Junge schaute seine Schützlinge eine Weile nachdenklich an.
    »Meinst Du, sie hat sich in St. Thomas eingeschlichen?«
    »Schon möglich.« Tom fiel auf, dass sich die Katzenmutter häufig das eine Hinterbein leckte. Er beugte sich vor, um besser zu sehen. »Was hat sie am Bein?«
    »Ich glaube, sie ist gebissen worden, aber sie ist ganz zahm, schau!«, antwortete Oliver und streichelte seine Susan behutsam. Der Katze schien dies zu behagen, denn sie begann sofort, seine Hand zu lecken. »Versuchs doch mal. Susan soll dich auch kennen lernen.« Nach kurzem Zögern tat ihm Tom den Gefallen und näherte seine Hand vorsichtig der Katze. Er wusste, dass Katzenmütter sehr launisch sein konnten. Sobald sie Gefahr für ihre Brut witterten, war es aus mit dem Frieden, und sie begannen sich mit ihren scharfen Krallen und Zähnen zu wehren. Susan schnupperte misstrauisch an der großen, runzligen Hand, die langsam auf sie zukam, und Tom hatte Glück. Sie entschied sich für eine versöhnliche Begrüßung, leckte auch seine Finger. So gut er den Knaben auch verstand, diese Katze mit ihren Jungen würde nicht lange unentdeckt bleiben. Er blickte ihn ernst an und sagte:
    »Wir müssen das der

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