Nemti
anrufen?«
»Versuch es einfach. Okay?«
*
Seit seiner letzten Mission, die er erfolgreich abgeschlossen hatte, fühlte sich Neferkarê aufgeputscht. Er lebte von der Kraft seiner Nerven, den Gesprächen mit dem Meister und Koffein. Aber auch ohne literweise Kaffee zu trinken, war er hellwach. Seine Fantasievorstellungen von dem Welterneuerer, und von dem, was geschehen würde, wenn Seth die Herrschaft übernähme, hielten ihn wie unter Strom. Nemti verlor an Helligkeit. Bald würde er nicht mehr sichtbar sein. Die letzte Gelegenheit, Seth zu überzeugen, auf die Erde herabzusteigen, musste er nutzen.
Wieder und wieder ging er gedanklich seine nächste Mission durch, jedes Detail, bis das Szenario hundertprozentig stimmte. Die letzte Aufgabe musste gut vorbereitet sein. Dazu waren zwei Dinge nötig. Er wollte sich die ausgewählte Stelle genau ansehen, an der er dem letzten Opfer das Blut entnehmen würde und auskundschaften, wo er ein Opfer finden konnte.
Neferkarê lenkte seinen Wagen an Wassenach vorbei in Richtung Brohltal. Als er die Häuser passierte, die rechter Hand im Wald lagen, drosselte er das Tempo. Er musste vorsichtig sein, war er doch zwei Tage zuvor an Ort und Stelle tätig gewesen. Das Pumpenhaus kam in Sicht. Von einer Polizeiabsperrung nichts zu sehen. Die waren wohl mit ihrer Spurensuche fertig. Aber sie dürften nichts gefunden haben, bis auf die Zigarettenkippen, die er ausgelegt hatte. Er hatte mittlerweile genug Routine darin, keine ungewollten Spuren zu hinterlassen. Ein Lächeln umspielte seinen Mund. Nein, sie wissen nichts, haben keine Ahnung.
Er warf einen Blick in den Zufahrtsweg, auf dem ein Pkw parkte. Ein Mann im Blaumann schloss gerade die Stahltür des Pumpenhauses auf. Er sollte seinem Gott danken, dass nicht er vor zwei Tagen hier zu tun hatte. Dann wäre er das Opfer geworden. Im Hintergrund, am Fuß des bewaldeten Berges, lag der Stollen. Neferkarê warf den Kopf in den Nacken und lachte laut auf. Im nächsten Moment verdeckten Bäume die Sicht auf den Ort, an dem er sein drittes Opfer hatte ausbluten lassen.
Zunächst war es nicht nach Plan verlaufen. Mit seinem Elektroschocker war er den Mann angegangen. Doch er zeigte nicht die erhoffte Wirkung. Nur einmal entlud er sich und schickte einen Stromstoß durch den Körper. Das reichte nicht. Der Kerl erwies sich als zäh. Er schrie und schlug wild um sich. Beim zweiten Mal versagte das Gerät völlig, obwohl er sicher war, den Akku aufgeladen zu haben. Nun war eiligst Improvisation gefragt. Er stieß den angeschlagenen Mann zu Boden, griff nach einem Felsbrocken und schlug zu. Mit einem Kabelbinder fesselte er die Hände seines Opfers hinter dem Rücken und klebte ihm Isolierband über den Mund. Er packte ihn unter den Achseln, riss ihn hoch und lehnte ihn gegen das Auto, wo er taumelnd stehen blieb. Der Mann stöhnte. Blut tropfte aus der Kopfwunde.
Neferkarê zog die Waffe aus dem Köcher und hielt sie dem Mann drohend vors Gesicht. Todesangst stand in seinen Augen. Dann trieb er ihn vor sich her, hinauf zum Stollen. Mit der Handlampe seines Opfers das Dunkel ausleuchtend, stieß er ihn hinein, bis er die Stelle erreicht hatte, an der die Tötung stattfinden musste. Neferkarê setzte ihm die Waffe an die Kehle.
Er musste sich auf die Straße konzentrieren und durfte den Abzweig nach Kell nicht verpassen. Die Straße verlief am Berghang hinauf zum Ort, den er schnell durchfahren hatte. Kurze Zeit später querte er das Tal des Krayerbachs und bog hinter Gertrudenweide links in einen Wirtschaftsweg ein. Aus der Landkarte wusste er, dass es zwei Wege zum Opferpunkt gab. Er nutzte die Gelegenheit, sich die erste Möglichkeit anzusehen. Bereits nach wenigen Metern stand fest, dass die Zufahrt von hieraus nicht infrage kam. Eine offene Schranke. Der Weg konnte leicht gesperrt werden. Trotzdem fuhr er langsam weiter. Er wollte sich einen Eindruck der Gegend verschaffen. Nach einem Kilometer stellte er seinen Wagen am Rande eines Maisfeldes ab. Vor ihm lag ein großer Bauernhof. Einige Hundert Meter dahinter erblickte er das Waldgebiet, das sich bis hinunter zum Brohlbach erstreckte. Mit einem Fernglas beobachtete er so lange, bis er sicher war, dass ihm vom Hof her keine Gefahr drohen würde. Es blieb ihm keine andere Wahl, er musste das nächste Opfer vom Pönterbachtal her zur Schlachtbank bringen.
Neferkarê hatte für diesen Fall bereits Vorbereitungen getroffen. Er brauchte eine Legitimation, um die Waldwege
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