Neobooks - Dreck muss weg!
Winterschlaf schon zu Ende? Mitten in der Stadt fühlte Kalle sich auf dem engen Weg zwischen Teich und Wallanlage wie im Sherwood Forest. Nur war er leider nicht Robin Hood und dazu auch noch unbewaffnet. An der Unterführung kamen ihm zwei Schatten entgegen. Klitschko-Formate mit sehr breiten Schultern waren das. Kalle war auf dem Sprung. Sie schienen ihn ins Visier zu nehmen, machten dann aber einen Bogen um ihn. »Da regen die Leute sich auf, wenn einer im Bett die Socken anbehält …«
Kalle linste über die Schulter, doch die beiden setzten ihren Weg zügig fort. Ausatmen. Rechts lag das Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis. Die meisten Zellen waren beleuchtet. Gut besuchter Knast. Letztes Jahr hatte sich ein polizeilich bekannter Stammkunde mit Hilfe eines Bettlakens über die Mauer in die Freiheit abgesetzt. Der Justizsenator hatte die Flucht nur deswegen überlebt, weil er sofort reagierte und den Dienst in den Wachtürmen wieder besetzen ließ. Es gab definitiv beschissenere Jobs als seinen. Doch das tröstete Kalle trotzdem kein bisschen. Erneut versuchte er, Eliza zu erreichen. Emma und ihr Gesundheitsfimmel. Strahlung von Handys sei krebserregend. Die Dinger nie eingeschaltet am Körper tragen. Nur, seit wann hielt sich Eliza an hysterische Omaliebe? Zu Hause meldete sich bloß der Anrufbeantworter. Tonnenschwer lag das Universum allein auf Kalles Schultern. Auf der Eisbahn war nichts los. Die Saison war zu Ende. Ende. Ach, Gesa. Lange hatte Kalle keine Frau mehr getroffen und so anziehend gefunden wie sie, nicht nur äußerlich, sondern weil sie in sich zu ruhen schien, mit sich und der Welt im Reinen war. Und dann war diese einzige Eine ausgerechnet Lesbe und vielleicht auch noch eine Mörderin? Die Eintragungen im Personenstandsregister waren korrekt. Sabine Clasen arbeitete in den 1970 er Jahren im Standesamt Hamburg Altona als Verwaltungsbeamtin im gehobenen Dienst. Zu dieser Zeit lebten die Flemmings in einem Reihenhaus in Lurup, im Bezirk Altona. Das passte also. Theoretisch hätte Sabine Clasen Daten manipulieren können. War Gesa etwa Petra Flemming? Und falls ja, welches Tatmotiv hatte sie? Rein zeitlich konnte Gesa unmöglich auch Theda Neehuis umgebracht haben. Aber Sabine Clasen könnte …
»Eliza, melde dich, verdammt noch mal.« Kalle unterdrückte den Impuls, sein Handy auf den Boden zu schleudern. Das wurde auf die Dauer zu teuer. Am hamburgmuseum verließ er den Park. War der da im Nadelstreifenanzug an der Haltestelle ein Pädophiler und fuhr verkleidet kreuz und quer durch die Stadt auf der Suche nach Lolitas? Oder der, der am Rande der Treppe in die Büsche pinkelte? Irgendwo musste sich das Gesocks ja rumtreiben.
*
Hamburg-Neustadt, Wincklerstraße
Es war Elizas Lachen, das Kalle wie auf Knopfdruck wieder glücklich machte. Fast schien es ihm, als schwebte er in die Wohnung. In der Bärwolffschen Küche herrschte Remmidemmi.
Let the sunshine in. Marga is calling.
»Was gibt’s, Marga?« »Wir haben zwei Sturmmasken gefunden, drei Loch, schwarz. Und diverse Reizstoffsprühgeräte, fünfzig bis fünfundsiebzig Milliliter, Reichweite sechs Meter, Wirkstoff
Oleoresin Capsicum
.«
»Das Zeug darf an Privatpersonen doch gar nicht abgegeben werden.«
»Tja, wer soll das kontrollieren? Schönen Abend, Kalle.«
»Dir auch, Marga. Und danke.«
An der Garderobe hingen fremde Jacken. Eine aus schwarzem speckigem Leder mit Metallnieten und ein edles blaues Sakko. Hugo Boss gab sich die Ehre. Und sein Hund? Eine schwarz-weiße Schnauze zwängte sich durch den Spalt in der Küchentür. Der struppige Geselle, dem die Schnauze ausnehmend gut stand, trabte auf Kalle zu, wedelte mit dem Schwanz und schlabberte ihm die Hände ab.
»Wer bist du denn?« Kalle hockte sich vor den Hund und kraulte ihm die Brust.
»Schröder, komm zu Frauchen.«
Der Hund drehte ab und sprang an Eliza hoch. Kalles Krabbe war unversehrt und so süß wie Zucker.
»Seit wann haben wir einen Hund?«
»Papa, kannst du nicht ein Mal pünktlich sein?« Eliza schüttelte den Kopf, und Kalle fühlte sich wie von seiner Mama zurechtgewiesen. Bevor er in der Höhle der Partylöwen Small Talk machen musste – darauf hatte Kalle so was von null Bock, zumal sein linkes Auge fies geschwollen war und er fand, er sehe aus wie Godzilla himself –, bog er ab ins Gästeklo, wusch sich die Hände und lauschte der tiefen Männerstimme. »Erde an Mars. Du, Mars, ich hab Homo sapiens. Sagt der Mars: Liebe Erde, mach dir
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