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Neobooks - Dreck muss weg!

Neobooks - Dreck muss weg!

Titel: Neobooks - Dreck muss weg! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Richter , Alexandra Richter
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Augenbraue pochte es. Sie war wieder aufgeplatzt. Zahn um Zahn. Augenbraue um Augenbraue. Tinta Krieger, beste Ersthelferin in town, hatte alle Hände voll zu tun gehabt, die Blutung zu stillen. Anschließend hatte sie ihn ins Erdgeschoss des Polizeipräsidiums verfrachten lassen, und zwar in den Ruheraum für Schwangere. Oh, Panne. Das allein war ein Running Gag. Guntberts Gurkentruppe. Erst war Jette in der Kantine fast erstickt, und nur eine knappe Stunde später hatte Kalle das Bewusstsein verloren. Thao Behrmann sollte sich auf die Schenkel geschlagen haben. Dass das nichts als die Wahrheit war, bezweifelte Kalle keine Sekunde. Schadenfreude war ihr in die DNA einprogrammiert. Er stöhnte leise, als er den Arm nach dem Wasserglas ausstreckte, nahm einen Schluck und sank wieder zurück auf die Liege. Alles drehte sich. Die Vernehmung war eine Katastrophe gewesen. Fritz Flemming war kein tattriger Opa, sondern hochgewachsen und stabil wie eine Deutsche Eiche. Auf die Frage, wann er seine Tochter zuletzt gesehen habe, reagierte er aggressiv, packte Kalle am Hemd. Zwei Knöpfe verabschiedeten sich und sprangen davon, als seien sie auf der Flucht. Die sei für ihn gestorben. Fritz’ Visage war verzerrt, irgendwie schief, von den Toten auferstandener Zombie. Nachdem Kalle sein Hemd gerichtet hatte, ohne ein Wort über den Angriff zu verlieren, hakte er nach, was genau Fritz damit sagen wolle. Doch Fritz Flemming ließ sich keine Antwort mehr entlocken, sondern verlangte, seine Anwältin zu sprechen. Na klar, um Kalle ein ärztliches Attest zu präsentieren, das Fritz bescheinige, plemplem und nicht vernehmungsfähig zu sein? Fritz Flemming hatte die Arme verschränkt, kaute Kaugummi, ließ ab und zu eine Blase platzen und schaute demonstrativ an Kalle vorbei. Irgendwie war das Ganze in einen Machtkampf ausgeartet, den Kalle um jeden Preis gewinnen wollte. Er hatte einen letzten Versuch gestartet, war einer Eingebung gefolgt, die seit Tagen in ihm rumort hatte. Habe Flemmings Ex-Gattin Lisbeth Hayenga noch alte Rechnungen mit ihm offen gehabt und ihre Schergen beauftragt, ihm gepflegt eins aufs Maul zu geben für all die verlorenen Jahre? Selbst unter Kriminellen seien Pädophile das letzte Gesocks.
    Diesmal kam doch noch eine Antwort, und die prompt. Fritz hatte Kalle den Kaugummi vor die Brust gespuckt.
     
    Die Nächte im
La Luna
sind lang. Lisbeth ist zum Umfallen müde. Ihre Füße sind geschwollen. Folge des stundenlangen Stehens hinter der Bar. Vom Hammer Deich fährt sie mit der Straßenbahnlinie
15
bis zum Bahnhof Altona. Dort steigt sie in die Linie
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um.
    »Endstation.« Der Schaffner rüttelt an Lisbeths Schulter.
    Schlaftrunken steigt Lisbeth aus. Der Wind verteilt den stechenden Gestank nach den chemischen Kunstharzen von der Hermes-Schleifwerkzeugfabrik im ganzen Viertel. Eilig überquert Lisbeth die Luruper Hauptstraße. Sie kauft frische Brötchen beim Bäcker und Pferdewurst bei Rossschlachter Heinze. Was sonst noch fehlt, holt sie im
VIVO
-Selbstbedienungsmarkt, der in der kleinen Ladenzeile neu eröffnet hat. Zu Hause klebt Lisbeth die blauen Zehn-Pfennig-Rabattmarken in das Heftchen. Wenn es voll ist, gibt es den Treuebonus ausbezahlt. Von dem Geld weiß Fritz nichts, sonst wäre es futsch. Lisbeth schiebt das Heftchen unter die Geschirrhandtücher in der Küchenschublade. Die Haustür schlägt zu. Petra ist von der Schule nach Hause gekommen. Sie stellt den roten Lederranzen im Flur ab.
    »Was machst du schon hier?« Lisbeth tippt auf ihre Armbanduhr. »Ist doch erst halb elf.«
    »Hab Bauchschmerzen.«
    »Schon wieder?«
    Petra dreht sich um und will die Treppe hinauflaufen.
    Lisbeth hält sie am Arm fest. »Faule Ausreden ziehen bei mir nicht.«
    Widerwillig folgt Petra ihrer Mutter in die Küche und lässt sich auf den Stuhl fallen. »Ich hab meine Blutung bekommen.«
    Gerade erst ist Petra zwölf geworden. »Wenn du schwanger wirst, kannst du was erleben.«
    Petra schaut Lisbeth an, stumm wie ein Weihnachtskarpfen. Lisbeth ist schwarz vor Augen am helllichten Tag.
     
    Angewidert hatte Kalle den Kaugummi vom Tisch geschnippt. »Es reicht, Herr Flemming. Sehen Sie zu, dass Ihre Anwältin hier antanzt. Und dann fangen wir noch mal ganz von vorne an. Bisher habe ich Sie lediglich als Zeugen vernommen. Allerdings ist Ihre Kooperationsbereitschaft unter aller Sau. Es sieht nicht gut für Sie aus, Herr Flemming, gar nicht gut. Die Indizienlage spricht Bände, und Ihr asoziales Aggressionspotenzial

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