Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters
immer der Wahrheit. Ich hörte, dass Blodok sich euch gegenüber auf dem Dorfplatz so ausdrückte, als wäre Sargas seit geraumer Zeit abwesend. Er wollte sicher den Eindruck erwecken, das sei ein schlechtes Zeichen, um euch etwas anhängen zu können.«
»Und?«, fragte Yonathan.
»Sargas ist erst seit drei Nächten fort.« Einen Moment starrte der junge Pirat zögernd in die Dunkelheit des Laderaumes. Dann wurde sein Blick wieder klar. »Ich laufe gelegentlich in der Abenddämmerung an der Bucht entlang – es ist immer gut, seinen Körper geschmeidig zu halten. An diesem Abend sah ich ein Schiff außerhalb der Bucht ankern. Von Kartan aus war es nicht zu sehen. Ich hatte ein ungutes Gefühl beim Anblick des Seglers – irgendwas stimmte nicht mit ihm.«
»Wie meinst du das, Gimbar?«
»Es war so, als ginge eine fremdartige Bedrohung von ihm aus. Es lag zwar so im Wind, dass ich es nur von achtern her sehen konnte, aber es wirkte hoch, ungewöhnlich schmal und sehr lang. Seine Umrisse hoben sich pechschwarz von dem sowieso schon dunklen Meer ab und mit seinen Masten stimmte etwas nicht.« Gimbar zuckte mit den Schultern. Offenbar fehlten ihm die Worte, um zu beschreiben, was an dem schwarzen Schiff nicht in Ordnung war.
Yonathan fröstelte. Eine dunkle Ahnung stieg in ihm auf. »Konntest du jemanden an Bord entdecken?«
»Niemanden. Es sah aus wie ein Totenschiff. Kein Licht, keine Seeleute, überhaupt nichts – bis…«
»Bis was?«
»Ein Boot, eine Schaluppe, näherte sich dem schwarzen Schiff. Es saßen nur zwei Männer darin: Sargas und Blodok.«
Yonathan stieß zischend die Luft zwischen den Zähnen aus. Auch Yomi konnte nicht länger an sich halten und beugte sich gebannt vor. »Und was geschah dann?«, fragte Yonathan.
»Nach einiger Zeit ruderten die beiden wieder zurück. Auch ich schlich mich wieder nach Kartan hinein. Irgendwie hatte ich das Gefühl, es sei besser, nicht in den Verdacht zu geraten, etwas von dem schwarzen Segler zu wissen. In der Nacht gab es eine Menge Trubel. Sargas bemannte eine Schebecke. Am nächsten Morgen waren sowohl Sargas als auch der geheimnisvolle Segler verschwunden.«
»Mir gefällt das nicht«, stellte Yomi fest.
»Hmm«, machte Yonathan mit düsterer Miene. An Gimbar gewandt sagte er: »Hast du eine Idee, was das alles bedeuten kann?«
Gimbar zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Sargas ist in viele dunkle Geschäfte verwickelt. Vielleicht ist das nur eines mehr.«
»Das mag sicherlich stimmen, aber die Geschichte von dem schwarzen Segler weckt ungute Erinnerungen in mir.«
»Die Narga!«, stieß Yomi hervor.
Yonathan nickte. »Genau die ging mir auch durch den Sinn.«
»Aber ich dachte, sie sei in dem Sturm endgültig außer Gefecht gesetzt worden, als ihr Großmast brach! Wie kann sie jetzt hier sein?«
»Ein Großmast ist noch nicht das ganze Schiff, Langer«, wandte Gimbar mit leicht spöttischem Unterton ein. »Und wenn ihr die Narga meint, von der ich auch schon gehört habe, dann kennt ihr Kapitän bestimmt Mittel und Wege sie schnell wieder flottzukriegen.«
»Du hast nicht nur von ihr gehört«, bemerkte Yonathan düster. »Du hast das Flaggschiff Sethurs gesehen – vor drei Tagen, um genau zu sein.«
Gimbar schnappte nach Luft. »Was habt ihr beiden mit Sethur zu schaffen?«
Yonathan erzählte die Geschichte ihrer Reise – gegen den Protest Yomis. Obwohl er nicht an der Vertrauenswürdigkeit Gimbars zweifelte, vermied er es doch, allzu ausführlich auf seinen Auftrag einzugehen. Auch das Geheimnis Haschevets behielt er vorerst lieber für sich.
»Dein Auftrag muss sehr wichtig sein, wenn du bereit bist dir dafür einen Feind wie Sethur aufzuhalsen.«
Gimbars Stimme verriet Achtung vor dem knapp vierzehnjährigen Jungen.
»Er ist wichtig, Gimbar.«
»Und er erfordert Mut.«
»Vor allem Gottvertrauen.«
Gimbar lächelte schief. »Ich bin nicht sehr geschickt in solchen Dingen.«
»Bist du immer noch bereit uns zu begleiten?«
Gimbar zögerte nur einen kurzen Augenblick. »Ja. Ich bin bereit. Ich werde euch beide begleiten.«
Yomi seufzte und ließ sich auf das Fass zurückfallen.
»Lass es gut sein, Yo«, mahnte Yonathan. »Wir können ihm vertrauen, glaub mir.«
»Er ist ein Pirat und Piraten sind Halsabschneider.«
»Haben wir euch damals nicht in Ruhe gelassen, vor allem ich?«, widersprach Gimbar.
Yomi verschränkte die Arme vor der Brust und brummte etwas Unverständliches.
»Ihr werdet bestimmt noch Freunde werden«,
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