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Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Titel: Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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bedrohlicher, schwarzgelber Vorhang am Himmel. Die Erscheinung glich in keiner Weise jenen dunklen Wolkenfronten, mit denen sich gewöhnliche Regengüsse der Mara ankündigten. Diese dunkle Wand, die mit beängstigender Geschwindigkeit auf das kleine Häuflein aus Mensch und Tier zuflog, glich einer wabernden Masse – mal heller, mal dunkler werdend –, die trotz des Anscheins der Durchsichtigkeit keine Spur von den Vorgängen hinter ihrem unruhigen Gefüge verriet.
    »Das ist doch kein normales Gewitter«, meinte Yomi. »Es sieht richtig unheimlich aus…«
    »Ein Sandsturm!« Sorge sprach aus Yehsir. »Aber kein normaler, nichts, was ich je erlebt hätte. Er bewegt sich viel zu schnell.«
    »Und er bewegt sich genau auf uns zu«, ergänzte Gimbar. Er versteckte seine Furcht hinter scheinbarer Gelassenheit. »Gibt es in deinem Regelwerk zum Durchqueren der Wildnis auch einen Leitsatz für das Verhalten bei Naturkatastrophen im Allgemeinen und ›unnormalen‹ Sandstürmen im Besonderen?«
    Yehsir warf dem Zweimalgeborenen einen finsteren Blick zu. »Ja, den gibt es: Schutz suchen, wo immer er sich finden lässt.«
    »Aber Yehsir, das Land hier ist flach wie der Boden eines Topfes«, gab Felin zu bedenken. »Wo sollen wir hier Schutz finden?«
    »Dort.« Der Arm des Karawanenführers deutete auf einen kaum wahrnehmbaren dunklen Schatten im Osten. »Es sieht aus, als gäbe es da einige Felsen. Lasst es uns herausfinden.«
    Und damit hatte Yehsir den Zügel des ersten Packpferdes ergriffen und begann die Kette aus angeleinten Tieren mit lauten Aufmunterungen vorwärts zu treiben. Ein Blick über dieSchulter überzeugte die Übrigen, die Anstrengungen des hageren Steppenläufers zu unterstützen – der schwarzgelbe Schleier näherte sich mit beängstigender Geschwindigkeit!
    Schon bald galoppierten Pack- und Reittiere in wilder Flucht vor der heraneilenden Wand her. Einige Packpferde spürten die nahende Gefahr und wurden von Panik ergriffen; sie brachen aus der Doppelreihe aus, Leinen rissen und die Tiere stoben in alle möglichen Richtungen davon. Yehsir achtete nicht darauf. Er trieb seine Schützlinge weiter an. Es gab keine Zeit mehr, den versprengten Pferden nachzujagen.
    Die Umrisse am östlichen Horizont wurden deutlicher. Es waren tatsächlich Felsen, die zerstreut aus dem ockerfarbenen Wüstenboden hervorwuchsen. Doch der Unheil verkündende Sandvorhang holte unerbittlich auf.
    Der heiße Wind trieb die Fliehenden vor sich her. Ein Blick über die Schulter spornte Yonathan zu noch größerer Eile an – die vom Wüstenboden bis zum Himmel reichende dunkle Wand schien zum Greifen nah. Auch die anderen Gefährten hatten die unmittelbare Gefahr bemerkt. Längst konnte man nicht mehr von einem planmäßigen Rückzug sprechen. Jeder ritt um sein Leben. Immer mehr Sand wurde emporgerissen und wehte in sich schlängelnden Fahnen über den Boden dahin. Die Sicht wurde immer schlechter.
    Schließlich war Yonathan allein. Der Sturm heulte rings um ihn her. Von seinen Freunden war nichts mehr zu sehen. Feiner Sand drang in Augen, Mund und Nase ein. Er wetzte an seiner Haut. Gurgi war längst unter den winddichten Umhang ihres Herrn geschlüpft. Der hatte es um einiges schwieriger. Obwohl er sich mit einer Decke zu schützen suchte, konnte er kaum noch atmen. Das ist kein gewöhnliches Unwetter, dachte er. Jetzt greift Temánahs Faust nach mir und diesmal wird sie mich nicht so leicht loslassen.
    Auf sein eindringliches Zureden hin ließ sich Kumi zu Boden sinken. Schnell sprang er vom Rücken des Lemaks, suchte fieberhaft nach dem Zügel und setzte dann den blinden Marsch fort. Es war zu gefährlich, im Galopp auf die Felsen zuzureiten, denn die schützende Deckung konnte nur noch wenige Speerwürfe weit entfernt sein.
    Aber der so sehnlich herbeigewünschte Windschatten wollte sich nicht finden lassen. Yonathan hatte jedes Gefühl für Zeit verloren. Blind tappte er im noch immer anschwellenden Sturm umher. Was sollte er nun tun? Hatte Yehsir nicht einmal darüber gesprochen, wie man sich in einem Sandsturm schützen konnte? »Lass dein Lemak sich niederlegen und schmiege dich so dicht wie möglich an seine vom Sturm abgewandte Seite. Decke dich mit etwas zu. So kannst du überleben.«
    Gerade als Yonathan beschloss, die Ratschläge Yehsirs in die Tat umzusetzen, glaubte er, eine merkwürdige Aufhellung in dem todbringenden Einerlei wahrzunehmen. Wie konnte das sein? Er konnte ebenso gut noch einige Schritte

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