Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)
versöhnlicher
zu stimmen.
»Und woher
du das weißt, willst du natürlich wieder nicht sagen«, blieb Juricek ernst.
»Na, woher
schon. Von einem Zettel, den Walters im Probenraum liegen hat lassen.«
»Aha, im
Probenraum waren wir also auch schon. Und den Zettel hast du dir wohl stibitzt.
Du weißt, dass das Unterschlagung von Beweismaterial ist.«
»Gar nichts
habe ich«, protestierte Leopold. »Der Zettel liegt immer noch dort, wo er war, außer
du und deine Mitarbeiter haben in ihrem Tatendrang dafür gesorgt, dass er nicht
mehr auffindbar ist. Oder er ist zusammen mit den Requisiten im Haus der Begegnung
gelandet. Aber sonst …« Er triumphierte innerlich, denn das war ja nun wohl wirklich
die Wahrheit.
»Na schön«,
brummte Juricek. »Schauen wir einmal, ob uns das weiterhilft.«
»Du bist
also zufrieden mit mir? Nicht mehr böse?«
»Was heißt,
nicht mehr böse?«, wehrte Juricek ab. »Was du mir jetzt gesagt hast, war erste Bürgerspflicht.
Jeder muss die Polizei verständigen, wenn er in so einem Fall etwas weiß. Nur du
nimmst dir immer irgendwelche Freiheiten heraus. Aber jetzt ist einmal Schluss.
Du wirst von mir keine Informationen mehr über die weitere Entwicklung in der Causa
Walters bekommen. Ich bin ja schließlich nicht dazu verpflichtet.«
»Für immer
und ewig?«, fragte Leopold kleinlaut.
»Bis du
wieder vernünftig bist.« Juricek zog sich seinen Sombrero in die Stirn, legte das
Geld für die beiden Schalen Kaffee abgezählt auf die Theke und verabschiedete sich
mit einem kurzen Tippen an seinen Hut.
»Nicht einmal
ein Trinkgeld hat er gegeben«, stellte Leopold kopfschüttelnd fest. »Mir scheint,
er ist wirklich stinksauer auf mich.«
*
Thomas Korber atmete einmal tief
durch, als die Glocke zum Ende der letzten Schulstunde läutete. Es war Samstagmittag,
das Wochenende war da. Auch das Schuljahr neigte sich seinem Ende zu. Ein paar lästige
Prüfungen noch, bei denen er auf den Fingerzeig von Direktor Marksteiner hin ohnedies
beinahe alle Schüler durchlassen musste, um die so genannte Behaltequote zu sichern.
Dann die letzten Theaterproben und die Aufführungen vom ›Jux‹. Und dann, ja, dann
war wieder einmal alles geschafft.
Sollte sich
Korber über Leopold und den neuen Mordfall Gedanken machen? Er beschloss, diesen
Dingen auszuweichen und sich jetzt nicht mit Unnötigem zu belasten. Vielleicht gelang
es ihm, sich mit Simone Bachmann zu treffen, danach war ihm eher zumute. Korber
war sich noch immer nicht darüber im Klaren, wie sehr er sie mochte, aber er fühlte,
wie sehr er sie begehrte. Manchmal dachte er freilich wehmütig an Geli Bauer, doch
welche Hoffnungen durfte er sich hier noch machen? Sie war von ihm weggegangen,
ehe ihre Beziehung richtig angefangen hatte. Zwar handelte es sich nur um eine temporäre
Abwesenheit, eine Art Auszeit, während der sie über ihr Verhältnis zu ihm nachdenken
wollte. Allerdings gab es da eine denkbar einfache Regel: Von einer Frau, die nicht
da war, wusste man nicht viel, auf jeden Fall zu wenig, um seine Zukunft darauf
aufzubauen. Man musste sich an das Nahe, Greifbare halten. Und das war für Korber
im Augenblick Simone Bachmann.
Er blickte
vom Schultor aus zum Himmel. Von Westen her wurde es dunkel. Ein Gewitter kündigte
sich an. Das erleichterte seine Entscheidung, diesmal vorsichtshalber dem Café Heller
keinen Besuch mehr abzustatten, sondern zu schauen, dass er schnurstracks nach Hause
kam. Er hatte nämlich keinen Schirm dabei.
Da wurde
er plötzlich von hinten an der Schulter angetippt. »Entschuldigen Sie, Herr Professor
Korber … Ich meine, entschuldige, Thomas«, hörte er Anette Riedls Stimme. »Könntest
du mich bitte nach Hause begleiten? Ich habe Angst.«
»Wegen des
Wetters?«, fragte Korber. »Da kann ich dir nicht viel helfen, ich habe meinen Schirm
zu Hause gelassen.«
»Nein, das
ist es nicht. Schon seit einigen Tagen habe ich so ein komisches Gefühl. Ich habe
Angst, dass ich verfolgt werde.«
Korber wirkte
nicht sehr interessiert. »Wirklich? Warum hast du es denn gestern nicht der Polizei
gesagt?«
»Das würde
mir doch niemand glauben«, erklärte Anette. »Ich kann es auch nicht an irgendetwas
festmachen. Aber ich bin mir sicher, dass mir unlängst jemand nachgegangen ist,
und einmal hat mir ein Mann aufgelauert.«
Korber stand
unschlüssig da. Das Wochenende schien gerade da einen komplizierten Beginn zu nehmen,
wo er es nicht erwartet hatte. »Ich weiß, es schickt sich einfach
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