Nett ist die kleine Schwester von Scheiße
Sie waren stark geschminkt und trugen kurze Röcke. Plötzlich erkannte ich die beiden: es waren meine Schwester und ihre Freundin Mareike. Mareike bemerkte mich als Erste und zog meine Schwester am Ärmel, beide kamen zu mir herüber.
»Wo wollt ihr hin?«, fragte ich und klang dabei schon fast wie unsere Mutter.
»Wir gehen zur Party von Ralf, einem Freund von Mareikes Bruder«, antwortete meine kleine Schwester.
»Weiß Mama davon?«
»Mama denkt, ich verbringe den Abend mit Mareike und ihrer Mutter, aber Mareikes Mutter ist nicht da«, grinste mir meine Schwester ins Gesicht.
Mareike lachte: »Und ich habe erzählt, ich übernachte bei euch.«
Um zu der Party zu kommen, mussten sie noch zwei Stationen bis zum S-Bahnhof fahren. Ich sah meiner Schwester in die Augen, ich hatte sie in der Hand. Wenn ich unserer Mutter erzählte, dass sie gelogen hatte und heimlich mit Mareike ausging, dann würde sie nie wieder bei ihr übernachten dürfen. Die nächste Haltestelle ging vorüber, ihr blieben nur noch zwei Minuten, mich zu bitten, sie nicht zu verraten. Ich hatte mir überlegt, dass ich nicht gleich antworten würde. Sollte die Kleine ruhig ein bisschen zappeln.
Doch der Bus hielt, meine Schwester sagte: »Tschüss, bis morgen«, und weg waren sie.
Setzen Sie Ihre Interessen durch,
indem Sie lügen, sich verweigern
oder provozieren.
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Erst später begriff ich: Meine Schwester machte sich nicht zum Sklaven der Vorstellungen meiner Mutter. Sie log – und das machte sie frei. Besonders beeindruckte mich, dass sie keine Angst hatte und mir so keine Gelegenheit gegeben hatte, sie zu erpressen.
Als Erwachsener kann es unwürdig sein zu lügen. Was aber sagen wir den Menschen, die über unsere Zeit verfügen und uns kontrollieren wollen. Die jedes Mal, wenn wir das Haus verlassen, fragen: »Wann kommst du wieder?«, und wenn wir es betreten: »Wo warst du denn so lange?«
Albert Einstein hatte gegen die Ansprüche seiner Umgebung folgende Strategie entwickelt: Weil er Abendgesellschaften hasste, floh er die eigenen Gäste, wenn seine Frau mal wieder in das gemeinsame Wochenendhaus in Caputh bei Berlin geladen hatte. Kaum hatte er gegessen, bestieg er sein Boot und ruderte in die Mitte des Templiner Sees. Erst wenn das Licht auf der Terrasse ausging – ein Zeichen, dass die Gäste gegangen waren, kehrte er zurück. Albert Einstein hat auf jede Ausrede und Lüge verzichtet, als er spät am Abend vor den Augen seiner Gäste Stiefel und Windjacke anzog, um vor ihnen und ihrem oberflächlichen Geschwätz zu fliehen. Sein Ansehen hat übrigens unter seinem schlechten Benehmen nicht gelitten.
Das zu sein und zu tun, was man möchte, wird einem nicht geschenkt. Das Leben ist ein Kampf. Wir stehen mit Familie, Freunden und Bekannten in einem imaginären Boxring – nur ist der Schiedsrichter weggegangen. Sie können entscheiden, ob Sie in diesem Kampf nur antäuschen oder gleich zum K.-o.-Schlag ausholen wollen.
Wählen Sie daher die Ihnen gemäße Methode:
Everybody’s Darling oder
everybody’s Depp?
Fünf Methoden fürs Danebenbenehmen:
Die intelligente Methode
Bei der intelligenten Methode lässt man die Umwelt über seine wahren Absichten im Unklaren. Etwas heimlich zu tun, statt um Erlaubnis zu bitten, spart jede Menge Diskussionen – man darf sich dabei halt nicht erwischen lassen. So wie meine Schwester, die log und sich auf diese Weise den zähen Kampf mit meiner Mutter ersparte.
Der Vorteil daran ist, dass der Intelligente die Erwartungen an ihn dadurch so niedrig wie möglich hält. Er muss dringend etwas erledigen, wenn er eigentlich beim Umzug helfen soll, er wird krank, wenn ein Ausflug mit den Kindern in den Freizeitpark ansteht, und weil er dadurch als unzuverlässig gilt, bittet man ihn immer seltener um einen Gefallen. Er macht beizeiten deutlich, dass er sich nur begrenzt disziplinieren kann und seinen Gelüsten mehr oder weniger hilflos ausgesetzt ist. Er wirkt dadurch nicht unbedingt unsympathisch; geschickt versteht er es, den Eindruck einer liebenswürdigen Flatterhaftigkeit zu erzeugen, welche ihm eine Menge Freiheiten verschafft.
Wer sich hingegen stets korrekt und top-organisiert gibt, dem wird der kleinste Fehler nicht verziehen. Wer nie zu spät kommt, macht sich sofort verdächtig, wenn er es doch einmal tut. Wer immer Rechenschaft über seine Einnahmen und Ausgaben ablegt, wird in Erklärungsnöte kommen, wenn er das Geld einmal für sich selbst ausgegeben hat, und
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