Neumond: Kriminalroman (German Edition)
tun.
»Da bin ich aber mal gespannt«, sagte Leander, nachdem er das Gespräch beendet hatte.
55
»Ihnen fehlt nicht zufällig ein Schweinekopf?« Morell fackelte nicht lange herum. Er hatte Klaus Fitz im Laden angetroffen, wo dieser heute hinter der Theke stand und die Opfer seiner Schlachtungen höchstpersönlich verkaufte.
»Sie wollen einen Sauschädel kaufen?« Fitz, der Morells letzten Besuch noch immer in schlechter Erinnerung hatte, packte einer Kundin 250 Gramm Putenextra ein und schaute den Chefinspektor fragend an.
»Nein danke.« Morell wartete, bis die Kundin bezahlt und den Laden verlassen hatte. »Ich habe gestern Abend sowohl einen Schweinekopf als auch das hier in meinem Bett gefunden, und frage mich, ob Sie vielleicht etwas damit zu tun haben.« Er schob den Drohbrief in der Plastiktüte über die Wursttheke.
Fitz wischte sich die Hände an seiner Schürze ab, las den Brief und schüttelte den Kopf. »Um Gottes Willen. Natürlich hab’ ich nichts damit zu tun. Ich will doch wissen, wer der Sabine das angetan hat.«
»Dann können Sie mir sicher sagen, wo Sie gestern Abend waren.«
Fitz lachte auf. »Aber natürlich. Ich war beim Rodeln. Sie haben mich doch selbst gesehen.«
»Aber nicht die ganze Zeit. Sie hätten locker einen kleinen Abstecher in den Enzianhof machen können. Weit wäre es ja nicht gewesen.«
»Nein. Ich war durchgehend bis ungefähr Mitternacht dort. Das können Ihnen meine Frau und das halbe Dorf bestätigen. Und wenn Sie mir nicht glauben wollen, können Sie von mir aus gern im Innenhof nachschauen. Dort steht ein großer Müllcontainer, in dem zwei Sauschädel drin sind.« Er überlegte kurz. »Eine Schande, dass ich die guten Teile hab’ wegwerfen müssen. Keiner wollt’ die haben. Dabei kann man so gute Sachen draus machen. Gepökelte Schweinsschnauze zum Beispiel war früher mal eine Delikatesse. Oder gegarte Schweinsohren. Die sollten Sie mal ausprobieren.«
Morell wollte es sich nicht einmal vorstellen. »Und Sie haben sicher nur zwei geschlachtet?«
Fitz drehte sich um, fischte eine dünne Mappe aus einem Regal und gab sie Morell. »Sie können gern die Lieferscheine anschauen. Der Bauer hat am Mittwoch zwei Schweine geliefert, und die hab’ ich dann beide am Donnerstag verwurstet.«
Morell kontrollierte die Angaben und gab Fitz die Mappe zurück. »Passt. Könnten wir dann jetzt vielleicht kurz nachschauen, ob die zwei …«
Er wurde vom Bimmeln der Eingangstür unterbrochen, als eine Horde Halbwüchsiger den Laden stürmte und lautstark nach Leberkässemmeln verlangte.
»Ja, machen wir gleich, ich bediene nur rasch die Kunden«, sagte Fitz. »Gehen Sie doch schon mal vor.«
Als die Jugendlichen wieder gegangen waren, schaute Fitz Morell, der sich nicht von der Stelle bewegt hatte, erwartungsvoll an. »Wissen Sie was, ich glaube Ihnen einfach mal«, sagte der Chefinspektor, da er sich den Anblick der Schlachtabfälle doch lieber sparen wollte. Nina hatte sicher recht. Der Metzger wäre ein Idiot, wenn er seinen Drohbrief ausgerechnet mit einem Schweinekopf garniert hätte. In Gedanken ging Morell die Liste der weiteren Verdächtigen durch. »Wissen Sie zufällig, woher der St. Gröbner Hof, der Hexenkessel und das Sanatorium ihr Fleisch beziehen?«, fragte er.
Fitz’ Miene bewölkte sich. »Von der Großschlachterei Bolzinger, unten in Kampl. Alles vollmaschinell. Miese Qualität, aber saubillig. Mit den Preisen kann ich nicht mithalten.«
»Verstehe. Dann sollte ich mich vielleicht erkundigen, ob bei denen ein Schweinekopf fehlt.«
»Ha«, blaffte Fitz. »Viel Glück dabei. Die schlachten am Fließband. Im Sekundentakt werden da die Tiere abgestochen.« Er untermalte seine Worte, indem er in die Hände klatschte. »Tack, tack, tack. Mehrere hundert am Tag. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass dort jemandem auffällt, wenn ein Sauschädel fehlt.«
Morell schluckte. Er hatte einmal eine Dokumentation über einen Schlachthof gesehen und konnte danach eine Woche lang nicht mehr richtig schlafen. »Den könnte also jeder genommen haben.«
»So ist es. Diese Großschlachthöfe sind eine echte Sauerei.«
Da waren sie ja ausnahmsweise mal einer Meinung. »Ach ja, noch etwas ganz anderes. Kann ich mir kurz mal Ihr Schneemobil ansehen?«
Fitz runzelte die Stirn. »Ich hab’ kein Schneemobil. Erstens brauch ich keins, und zweitens wissen Sie, was so was kostet? Scheißteuer sind die Teile. So was kann ich mir gar nicht leisten.«
»Verstehe.«
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