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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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schließlich an der Reihe waren, verlangte der Kutscher das Fahrgeld im Voraus. »Sonst mach ich euch erst gar nicht die Tür auf«, beschied er mir. Ich stand da, drehte meine Taschen auf links in der Hoffnung, vie l leicht doch noch eine versteckte Münze zu finden, und verfluchte mich dafür, dass ich mein Geld so großzügig weggegeben hatte. Wie gut hätte ich jetzt das Geld bra u chen können, das ich dem dicken Mann gegeben hatte! »Hast du Geld?«, schrie ich Caulder ins Ohr und schü t telte ihn. Ein anderes Paar drängelte sich vor und hielt dem Kutscher eine Goldmünze hin, worauf dieser sofort von seinem Bock heruntersprang und ihnen mit einer Verbe u gung den Schlag öffnete. Ungeachtet meines w ü tenden Protests kletterte er wieder auf seinen Bock und fuhr los.
    Hätte sich nicht gleich darauf das Schicksal von seiner gütigen Seite gezeigt – ich weiß nicht, was aus uns g e worden wäre. Eine andere Kutsche fuhr wenige Auge n blicke später vor und nahm den Platz an der Bordstei n kante ein, den die wegfahrende Kutsche hinterlassen ha t te. Der Kutscher sprang herunter und öffnete den Schlag. Heraus trat ein vornehm gekleidetes Paar. Der Mann trug einen hohen Seidenhut und eskortierte eine Frau, die ein mit Stickereien verziertes Abendkleid und einen schi m mernden Pelzumhang ausführte. Sie machte ein bestür z tes Gesicht, als sie die Massen erblickte, die sich auf dem Platz tummelten, und er antwortete: »Es tut mir leid, C e cile, aber weiter kann die Droschke nicht fahren. Von hier bis zum Haus von General Scoren werden wir zu Fuß gehen müssen.« Erst an seiner Stimme erkannte ich den Mann: Es war Doktor Amicas vom Krankenrevier der Akademie. Er sah ganz anders aus als an jenem Abend, an dem er Gord versorgt hatte. Es muss wohl mein Akademie-Überzieher gewesen sein, der ihn auf mich aufmerksam machte, denn als er vorbeikam, scha u te er erst mich an, und dann fiel sein Blick auf Caulder. »Oh, um des gütigen Gottes willen!«, rief er angewidert aus. »Wer hat denn den albernen Laffen in einer Nacht wie dieser frei herumlaufen lassen?«
    Er erwartete keine Antwort, und ich gab ihm auch ke i ne. Ich stand da, den schwankenden Caulder aufrecht neben mir haltend, und hoffte, er würde mich nicht wi e dererkennen, denn ich hatte keine Lust, mit Caulders Missgeschick in Verbindung gebracht zu werden. Das Gesicht seiner Frau war voller Entsetzen über den Ve r zug. Doktor Amicas befahl mir mit schneidender Sti m me: »Schaffen Sie ihn auf dem schnellstmöglichen Wege nach Hause. Und legen Sie ihm Ihren Mantel um, Sie verdammter Narr! Er ist stark unterkühlt! Wie viel hat er getrunken? Ich wette, mehr als eine Flasche, und ich h a be schon mehr als einen jungen Kadetten daran sterben sehen, dass er zu viel in zu kurzer Zeit getrunken hat.«
    Seine Worte schockierten mich und machten mir Angst, und ich rief gequält: »Ich habe kein Geld für eine Kutsche, Doktor Amicas. Können Sie uns nicht helfen?«
    Ich glaubte, er würde mich schlagen, so wütend sah er aus. Dann griff er in seine Tasche und hielt mit der and e ren Hand den Kutscher, der gerade im Begriff war, die nächste Fuhre aufzunehmen, am Ärmel seines Mantel fest. »Hier, Kutscher, bringen Sie diese beiden jungen Idioten zur Kavallaakademie des Königs zurück. Liefern Sie sie direkt an der Tür von Oberst Stiet ab, hören Sie? Nirgendwo anders, ganz gleich, was sie sagen.« Er drückte dem Mann das Geld in die Hand, und dann wandte er sich mir zu.
    »Oberst Stiet wird heute Nacht nicht zu Hause sein, Kadett, und dafür können Sie Ihrem Glücksstern dankbar sein. Aber wagen Sie es ja nicht, den Jungen allein vor der Tür liegen zu lassen! Sorgen Sie dafür, dass einer von Stiets Bediensteten ihn ins Bett bringt, und ich will, dass sie ihm zwei Schoppen heiße Brühe einflößen, bevor sie ihn einschlafen lassen. Haben Sie mich verstanden? Zwei Schoppen gute Rinderbrühe! Ich werde mich dann mo r gen mit Ihnen beiden näher befassen. Und jetzt los mit Ihnen!«
    Der Kutscher hatte uns den Schlag geöffnet, wen n gleich mit sichtlichem Widerwillen, denn es war ein fe i nes Gefährt, und Caulder stank immer noch nach Schnaps und Erbrochenem. Ich wollte mich bei Doktor Amicas bedanken, aber er wehrte mich angewidert ab und hastete mit seiner Frau davon. Es bedurfte der ve r einten Kräfte von mir und dem Kutscher, Caulder in die Kutsche zu hieven. Einmal drinnen, lag er auf dem B o den wie eine ersäufte Ratte. Ich nahm auf einem der Sitze

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