Nicholas Dane (German Edition)
völlig unlogisch, zurück nach Meadow Hill zu gehen.
»Wir müssen warten, bis es dunkel wird. Sonst haben wir überhaupt keine Chance, Davey.«
Sie stritten. Abhauen und dann irgendwo rumlungern wie ein paar alte Männer im Park, was sollte denn das?
»Abhauen muss irgendwie spannender sein«, beharrte Davey.
»Klar, und gefasst werden ist dann superspannend, oder wie?«
Davey drehte und wand sich, doch am Ende …
»Mann, ich hab doch Recht! Gib’s zu«, sagte Nick selbstgefällig.
»Scheiße, du hast immer Recht«, knurrte Davey. Nick war es wichtiger, zu entkommen, als Spaß zu haben – das konnte warten. Und wenn er sich dazu einen Tag lang im Gebüsch verstecken musste, dann würde er genau das tun. Er bestand sogar darauf, dass sie ihre Uniformen aus den Büschen zerrten, so dass sie wenigstens nicht froren. Davey schimpfte wie ein Rohrspatz, machte aber trotzdem mit. Wäre er alleine gewesen, hätte er es riskiert und wäre direkt nach Hause gelaufen. Für ihn würde es sowieso sein Leben lang heißen, raus aus dem Heim und zurück ins Heim, und später dann raus aus dem Gefängnis und zurück ins Gefängnis. Aber bei Nick war das anders. Einmal draußen, wollte er auch draußen bleiben.
Die Jungen versteckten sich in einem Wäldchen auf dem Heimgelände, in sicherer Entfernung vom Flatterweg. Als Nick so dasaß und weiter nichts zu tun hatte, dachte er über die Fotos nach, die Oliver gestohlen hatte. Die lagen jetzt wie Hochzeitskonfetti überall auf dem Flatterweg verstreut.
Was würde Creal machen? Nick konnte die Fotos nicht einfach da liegen lassen. Vielleicht waren einige sogar schon auf den Weg geflogen. Wenn sie in die richtigen Hände gelangten und zur Polizei gebracht wurden, könnte Creal doch noch belangt werden. Und Oliver war immer noch dort drinnen …
Nick musste etwas tun. Er stand auf.
»Wo willste hin?«, wollte Davey wissen.
Nick fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Soll ich dir sagen, wieso ich wusste, dass ich Oliver trauen konnte?«
»Wieso?«
»Er hat nicht nur die Kippen geklaut, sondern noch was.«
»Was?«
»Bilder«, sagte Nick. »Fotos.«
Davey glotzte ihn an. »Was für Fotos?«, fragte er, obwohl Nick ihm ansah, dass er es bereits wusste.
»Fotos von ihm mit Jungs. Du weißt schon.«
»Schweinische Fotos.«
»Genau.«
Davey blickte zur Seite, dann wieder zu Nick.
»Nick – wo sind die?«
Nick zeigte mit der Hand hinter sich in den Wald. »Hab sie verlor’n. Sind mir aus der Hose gerutscht.«
»Kannste aber froh sein.«
»Ich geh zurück und hol sie.«
»Scheiße, das machst du nich!« Davey war aufgesprungen und stand vor ihm. »Du hast se doch nich alle! Wenn ich das gewusst hätte, wär ich nie mit dir mit abgehauen!«
»Drum hab ich’s dir auch nich gesagt.«
Davey schüttelte den Kopf. »Tu das nich. Mann, wenn die uns mit den Dingern erwischen, machen die uns alle.«
»Ich will wenigstens eins haben«, sagte Nick
Davey schüttelte den Kopf. Ihm reichte es. »Jetzt spiel hier bloß nich so ’n Scheißsozialarbeiter«, sagte er. »Wir sind draußen! Wir sind draußen! Was willste’n noch?«
»Ich will, dass Creal in den Knast geht.«
»Na klar. Du willst Gerechtigkeit, nich? Gerechtigkeit gibt’s nich, Nick. Haste das immer noch nich kapiert?«
Nick blickte zur Seite. »Leute wie der müssen eingesperrt werden …«
»Leute wie der können machen, was sie wolln. Wach auf.«
Davey wandte sich verärgert ab und setzte sich wutschnaubend auf einen umgefallenen Baumstamm. Nick blieb vor ihm stehen und blickte ihn an.
»Na gut«, sagte er dann. »Was ist mit deinen Geschwistern …?«
»Lass meine Familie aus dem Spiel!«
»Wieso? Ihr kommt doch alle immer mal ins Heim. Wie wär’s denn, wenn einer von den Kleinen hierher kommen würde? Und Creal würde ein Auge auf ihn werfen? Wie fändste das?«
»Du raffst das nich, oder, Nick? Pass auf. Als ich so acht war, ja? Da war ich in so ’m Heim, zusammen mit eim von unseren Kleinen, Sid, der war so vier. Die Typen sind über uns beide hergefallen, nachts, im Schlafraum. Besonders auf Sid waren die scharf, der war damals richtig niedlich. Also sind wir abgehauen, wir beide, er und ich. Ich hab’s geschafft, wir sind beide raus und in die Stadt und direkt aufs Bullenrevier und ich hab den fetten Kinderficker angezeigt. Und weißte, was dann war? Die Bullen haben nett zugehört, vielen Dank auch, und dann haben sie uns in ihr Bullenauto gepackt und uns zurückgebracht,
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