Nicholas Flamel Bd. 5 Der schwarze Hexenmeister
pulsierte. Die Haut des Alchemysten hatte sich leicht rosa gefärbt und einige der tiefen Falten auf der Stirn und um die Augen herum waren verschwunden. Er wirkte jünger.
Wieder zuckte er. Seine Finger schlossen sich fester um den Käfer, lösten sich und schlossen sich erneut fest darum.
»Nur noch ein kleines bisschen«, flüsterte Perenelle. Sie klang erschöpft.
»Ich kann dir nicht mehr viel geben«, murmelte Tsagaglalal. Weißblaue Funken tanzten durch ihr Haar.
»Dann hängt jetzt alles von dir ab, Sophie«, drängte Perenelle. »Ich brauche noch etwas von deiner Aura.«
Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht mehr.« Sie schwankte vor Erschöpfung und hatte das Gefühl, hohes Fieber zu haben und innerlich zu verbrennen. Ihr Kopf dröhnte, ihre Kehle fühlte sich rau an und ihr Magen zog sich zusammen. Ihr fiel wieder ein, dass Scatty einmal davor gewarnt hatte, zu viel Auraenergie zu verbrauchen. Setzte eine Person ihre gesamte natürliche Auraenergie für etwas ein, holte sich die Aura neue Energie aus dem Körper der betreffenden Person. In diesem Fall bestand die ganz reale Gefahr, dass es zu einer Spontanverbrennung kam.
»Du musst!«
»Nein!« Sophie versuchte, sich loszureißen, aber die Unsterbliche hielt sie fest wie in einem Schraubstock.
»Doch!«, befahl Perenelle unbarmherzig. Eine Sekunde lang ging das Weiß ihrer Aura flackernd in Grau und dann in Schwarz über, bevor sie wieder eisweiß loderte.
Sophie versuchte erneut, ihre Hand wegzureißen. Vergeblich. »Lass mich los!«
»Ich brauche noch etwas mehr. Nicholas braucht noch etwas mehr.«
Die Aura der Zauberin wurde dichter, dunkler und plötzlich war die kalte Luft erfüllt vom Duft nach grünem Tee und Anis. Sophie erkannte die Gerüche von Niten und Prometheus, noch bevor farbige Stränge ihrer Auren durch den Fußboden drangen: Königsblau, das sich um einen dicken Strang in Blutrot wickelte. Die Auren schoben sich auf die Zauberin zu, krochen dann an ihr hoch und färbten ihre Aura für einen kurzen Augenblick wieder schwarz.
»Genug, Zauberin«, krächzte Tsagaglalal. »Genug. Du hast getan, was du konntest.«
Die Zimmertür flog auf und Prometheus und Niten stürmten herein. Die Auren des Älteren und des unsterblichen Japaners hatten Panzer um ihre Körper gebildet. Doch die reich verzierte rote Metallrüstung von Prometheus wurde immer heller und schließlich transparent, als ihr alle Farbe entzogen wurde. Und Nitens mit Holz und Lack verstärkte Geweberüstung eines Samurai war eingerissen und ausgefranst.
»Zauberin«, brüllte Prometheus, »was tust du da?«
»Es ist genug«, bestimmte Niten in eisigem Ton. »Du wirst uns alle vernichten.«
»Es ist nie genug!«, fauchte Perenelle. In ihre Aura mischten sich Streifen und Fäden sämtlicher anderer Auren im Raum. Die Farben liefen ineinander, verschwammen, wurden dunkel, schmutzig braun, bis die Zauberin schließlich von einer pulsierenden schwarzen Aura umgeben war. Ein eklig modriger Geruch hing im Raum. Als sie sich zu Prometheus und Niten umdrehte und sie ansah, waren ihre grünen Augen zu schwarzem Marmor geworden. »Ich brauche mehr … Nicholas braucht mehr.«
Mit einem Ruck entriss Sophie der Zauberin ihre Hand. Sie hatte so viel Schwung, dass sie durch den Raum torkelte und in Nitens Armen landete. Sofort verwandelte ihre silberne Aura seine Samurai-Rüstung in einen stabilen Metallpanzer.
»Nein!«, kreischte Perenelle und wollte nach Sophie greifen. »Wir sind noch nicht fertig!« Ein weißer Faden zuckte durch ihre schwarze Aura, saugte die Dunkelheit aus ihr heraus, bis sie grau wurde.
Prometheus stellte sich vor Sophie und Niten. »Du bist fertig, Zauberin.« Er blickte die alte Frau an und nickte. Tsagaglalal ließ Perenelles Hand los und trat einen Schritt zurück.
»Aber Nicholas …«, flüsterte Perenelle. Ihre Aura flackerte erneut eisweiß und ihre Augen wurden langsam wieder grün.
»Du hast alles getan, was du für ihn tun konntest«, sagte Prometheus.
Unvermittelt seufzte Nicholas Flamel, ein langes, zischendes Ausatmen, das weißen Rauch von seinen blauen Lippen in die Luft blies. Seine hellen Augen öffneten sich flackernd. Er setzte sich kerzengerade auf und blickte sich um. »Hab ich was Spannendes verpasst?«
KAPITEL DREISSIG
F ünf hünenhafte Anpu eskortierten den Mann mit der Hakenhand durch die in Gold und Marmor gehaltenen Flure des Sonnenpalastes. Man hatte dafür gesorgt, dass die Gänge, auf denen
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