Nicholas' Geheimnis (German Edition)
einfach absurd. Dorian und Alex, berichtigte sich Melanie. Beide rauchten diese schwarzen Zigaretten.
Aber beide waren zivilisierte Menschen, und zivilisierte Menschen stießen anderen kein Messer in den Rücken. Beide hatten gepflegte Hände und ein makelloses Benehmen. Musste man nicht böse, hart und kalt sein, um töten zu können?
Nick fiel ihr ein. Sie verdrängte den Gedanken aber sofort. Zunächst einmal musste sie die eine Überlegung zu Ende verfolgen.
Nein, Alex und Dorian kamen als Mörder nicht in Frage. Sie waren kultivierte Geschäftsleute, und was sollten sie mit einem einheimischen Fischer zu tun haben? Andererseits musste es eine logische Erklärung für den Zigarettenstummel am Strand geben. Es gab für alles eine logische Erklärung. Es war die Nachwirkung des Schocks, sie sah überall Gespenster – das war die Erklärung.
Und die Schritte auf dem Strandpfad in jener Nacht? Vor wem hatte sich Nick versteckt? Auf wen hatte er gewartet? Der Tote war nicht im Zuge eines dörflichen Streits umgebracht worden, das hatte Melanie keinen Moment lang geglaubt. Mord … Schmuggel … Melanie schloss schaudernd die Augen.
Wer war der Mann, der an Land gekommen war, als Nick Melanie im Gebüsch gefangen hielt? Nick hatte Stephanos befohlen, ihm zu folgen. War es Alex gewesen oder Dorian? Oder der Tote in der Höhle?
Melanie fuhr zusammen, als Dorian ihr einen Brandy reichte. »Melanie, du bist so blass, willst du dich nicht setzen?«
»Nein. Ich bin nur ein bisschen nervös, das ist alles.« Melanie umfasste ihr Glas mit beiden Händen, trank aber nicht. Sie würde Dorian einfach fragen, ob er auf der Sandbank gewesen war. Aber als sie in seine ruhigen, forschenden Augen blickte, wurde sie wieder von eiskalter Furcht gepackt.
»Diese Sandbank zwischen den Klippen.« Melanie schluckte trocken und nahm allen Mut zusammen. »Man hat den Eindruck, als hätte nie eines Menschen Fuß den Sand betreten.« Und die vielen zertretenen Muscheln, die ich gesehen habe? dachte Melanie plötzlich. Warum ist mir das nicht eher eingefallen? »Gehst du … gehen oft Leute dorthin?«
»Was die Dorfbewohner machen, weiß ich nicht.« Dorian beobachtete Melanie, die sich jetzt auf die Sofalehne setzte. »Aber vermutlich haben sie genug mit dem Fischfang oder den Oliven zu tun. Zum Muschelnsammeln werden sie kaum Zeit finden.«
»Sicher nicht.« Melanie befeuchtete sich die Lippen. »Aber es ist herrlich dort, findest du nicht auch?«
Melanie schaute Dorian unverwandt an. Bildete sie es sich ein, oder hatte er tatsächlich ein Glitzern in den Augen. Täuschte sie vielleicht der Zigarettenrauch vor seinem Gesicht? Oder lag es an ihren überreizten Nerven?
»Ich war nie dort«, sagte er achselzuckend. »Ich nehme an, mit dem Empire State Building in New York ist es nicht anders. Die wenigsten Einwohner waren dort oben.« Er drückte die Zigarette im Aschenbecher aus. Melanie verfolgte seine Bewegungen. »Gibt es sonst noch etwas, Melanie?«
»Sonst noch etwas? Nein, nein.« Rasch richtete sie den Blick auf Dorians Gesicht. »Ich glaube, es geht mir wie Iona. Die Atmosphäre hier geht mir auf die Nerven.«
»Kein Wunder!« Mitfühlend trat Dorian näher zu Melanie heran. »Du hast eine Menge verkraften müssen heute Morgen, Melanie. Vergiss das Gerede über den Toten. Komm, gehen wir in den Garten«, schlug er vor. »Dann reden wir über etwas anderes.«
Melanie lag eine Ablehnung auf der Zunge. Sie wusste nicht, warum, aber sie wollte nicht mit Dorian allein sein. Als sie sich noch eine vernünftige Ausrede überlegte, trat Liz zu ihnen.
»Melanie, ich denke, du schläfst?«
Dankbar für die Störung, setzte Melanie das unberührte Glas ab und stand auf. »Ich habe lange genug geschlafen.« Sie bemerkte, dass auch Liz angespannt wirkte. »Du solltest dich selbst ein wenig ausruhen, Liz.«
»Unsinn, ich brauche lediglich frische Luft.«
»Gerade wollte ich Melanie in den Garten lotsen.« Dorian legte Liz sanft die Hand auf die Schulter. »Aber ihr werdet auch ohne mich zurechtkommen, nehme ich an. Ich habe mit Alex noch geschäftliche Angelegenheiten zu besprechen.«
»Ja.« Liz griff nach Dorians Hand. »Danke, Dorian. Ich weiß nicht, was Alex und ich heute ohne dich getan hätten.«
»Unsinn.« Er küsste sie leicht auf die Wange. »So, und jetzt geht und vergesst das Ganze.«
»Dorian …« Melanie schämte sich plötzlich. Dorian hatte sich rührend um sie bemüht, und sie hatte ihrer Fantasie die Zügel
Weitere Kostenlose Bücher