Nicht mehr tun, was andere wollen
plötzlich entscheidend für Ihre Kaufentscheidung bei den anderen vier Computern! Das heißt, wenn ich Phantome ganz bewusst einsetze, kann ich auf subtile Weise steuern, wie Sie die Wirklichkeit wahrnehmen.
Die brillanten Gehirne hinter dem Kartenspiel Pokémon haben die Anziehungskraft der Phantome voll erkannt. Der Witz an Pokémon ist ja der, dass Sie alle Monster fangen sollen. » Gotta catch’em all!«, heißt es. Aber egal, wie viele Pakete mit Monsterkarten man kauft, es gibt immer diese eine legendäre Karte, die so sauschwer zu kriegen ist und die wir allein deswegen haben müssen. Solange man die nicht hat, hat man eben nicht alle gefangen. Aber man muss ja nur weitersuchen. Und schon klingelt die Registrierkasse wieder.
Durch unseren Besitz erklären wir uns selbst und unserer Umwelt, wer wir sind. Etwas zu besitzen, das schwer oder unmöglich zu bekommen ist, ist eine Möglichkeit, deutlich zu sagen: » Ich besitze etwas, das niemand anders ergattern konnte, deswegen bin ich einmalig und besonders!« Kindisch? Gucken Sie doch mal in den Spiegel. Ich wette, Sie haben mehrere Sachen, auf die Sie besonders stolz sind, weil es Ihnen gelungen ist, ein Exemplar zu bekommen. Etwas zu besitzen, das nur in begrenzter Anzahl hergestellt wurde, kann auch ein Gemeinschaftsgefühl stiften: Wenn es ein Boot oder ein Auto gibt, das nur in wenigen Exemplaren hergestellt wurde, können Sie wetten, dass es auch einen Mitgliedsclub für die Besitzer der wenigen Exemplare gibt. Und das einzige Kind im Viertel zu sein, das dieses begehrenswerte Spielzeug nicht bekommen hat (sondern stattdessen eines, » das fast genauso ist«, viel billiger, aber eben von der falschen Marke, das die geizigen Eltern im Billigladen gefunden haben und für einen echten Glückstreffer hielten ), kann Gefühle von Minderwertigkeit und Inkompetenz nach sich ziehen– schlimmstenfalls sogar zum Ausschluss aus der Gruppe führen. Wenn Sie keinen Mon Chichi bekamen, als Sie klein waren, sondern stattdessen den ätzenden Mon Ami, wissen Sie, was ich meine.
Die Angst, in unseren Wahlmöglichkeiten begrenzt zu werden und damit unsere Freiheit zu verlieren, ist so stark, dass sie uns manchmal zu den absurdesten Handlungen treibt. Noch der alltäglichste Gegenstand kann begehrenswert werden, wenn Sie plötzlich merken, dass Sie ihn nicht mehr bekommen können. Wenn das letzte Eis aus der Tiefkühltruhe verschwunden ist. Plötzlich stecken Sie in der kleinsten mentalen Schublade überhaupt und finden nicht mehr raus. Wie war das noch mal? » Dieses Modell haben wir leider nicht mehr auf Lager, aber ein ganz ähnliches… nur ein bisschen teurer. Denn Sie wollten doch sowieso einen Fernseher kaufen, oder?«
Ein Phantom muss natürlich nichts sein, was man kaufen kann. Es kann alles Mögliche sein, solange man nur seine Verfügbarkeit beschränken kann. Warum nicht eine erfundene Person oder eine Gruppe, der ich bestimmte Eigenschaften zuschreibe? Eigenschaften, die ich zufällig auch habe und die Sie begehrenswert finden sollen. Denken Sie das doch einfach mal selbst zu Ende.
Zensur
Eine andere effektive Methode, etwas begehrenswert zu machen, besteht darin, es zu zensieren. Die Verfügbarkeit absichtlich zu begrenzen und zu sagen » Das ist nichts für dich«. Wie die russischen Kartoffeln. Oder Salman Rushdies Buch Die satanischen Verse. Obwohl Rushdies Buch wirklich ganz gut ist, wäre es wohl nie von selbst auf den Bestsellerlisten gelandet. Das wusste sein Agent auch, deswegen sorgte er dafür, dass der Ayatollah Khomeini von diesem Werk erfuhr. Der Ayatollah reagierte mit erstaunlichem Engagement, etwas mehr Engagement, als der Agent erwartet hatte, und erklärte das Buch für blasphemisch. Plötzlich stand ein bärtiger britischer Autor ganz oben auf der Todesliste, und wenig später führten Die s atanischen Verse in weiten Teilen der Welt die Bestsellerlisten an. Oder auch Shanghai Baby, ein Buch, das vor ein paar Jahren in China verboten wurde, sowohl wegen seines Inhalts als auch wegen seiner Autorin, Zhou Wei Hui, die bei einer Signierstunde zu leicht bekleidet gewesen war (! ). Die Kommunistische Partei verkündete, dieses Buch sei verboten, statt es einfach verschwinden zu lassen– und natürlich verkauften sich die Raubkopien in ganz Asien prompt wie geschnitten Brot. Bis heute ist Shanghai Baby unter anderem in Südkorea, Taiwan, Japan, Deutschland und Italien erschienen und sogar schon verfilmt worden.
Zensierte Informationen sind
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