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Nichts als Erlösung

Nichts als Erlösung

Titel: Nichts als Erlösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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Sneakers.
    »Der Schlitten im Carport ist aber kein Frauenauto«, widerspricht Manni.
    »Sexist.« Sie knufft ihn auf den Oberarm.
    »Wetten, ich hab recht!«
    Sie steigen aus, hübsch synchron, wie diese albernen Ermittlerduos im Fernsehen, die er immer direkt wieder wegzappt. Hitze brütet sie an, beste hessische Mittagshitze, falls es hier in der Nacht auch ein Gewitter gab, ist die Abkühlung, die das möglicherweise gebracht hat, schon lange verflogen. Am Ende der Straße wölbt sich ein bewaldeter Hügel in den makellosen Himmel.
    »Frankenstein«, sagt die Krieger. »Der heißt wirklich so. Der Anfang der Bergstraße. Hübsch, nicht wahr?«
    »Zu Kohle hat er’s jedenfalls gebracht.« Manni mustert Böhms Heim genauer. Ein geschmackvoller Natursteinpflasterweg führt in angenehmem Schwung zur Haustür, raffiniert gepflanzte Sträucher schirmen den hinteren Teil des Gartens vor Blicken von der Straße ab, ohne im Mindesten an das immer gleiche Friedhofs-Immergrün zu erinnern, für das sich talent- und mittellosere Hobbygärtner entschieden hätten. Nach seiner vermutlich nicht uneingeschränkt glücklichen Kindheit im Heim hat Kurt Böhm studiert und sich hochgearbeitet und ist im warmen Schoß des wohlsituierten Mittelstands gelandet.
    Manni drückt auf die Klingel. Sie warten. Nichts regt sich, niemand. Nur ein paar Vöglein piepen irgendwo im Geäst eines Baums, der ihn vage an den auf dem Foto vom Kinderheim Frohsinn in Miriams Zimmer erinnert. Die Straße ist menschenleer, trotzdem könnte er wetten, dass irgendjemand sie bereits beobachtet. Er klingelt erneut, länger diesmal, ist auf einmal sehr sicher, dass Böhm zu Hause ist. Instinkt ist das, Bauchgefühl, wie auch immer man das nun titulieren will. Fast eine Woche sind sie schon dran an dem Fall, ohne viel erreicht zu haben. Jetzt wird sich das ändern, heute, hier. Er drückt die Klinke des Gartentors runter, das bereitwillig aufspringt. Die Krieger protestiert, folgt ihm dann aber durch das Gesträuch in den hinteren Teil des Gartens. Und siehe da, das hat sich gelohnt. Ein Bachlauf plätschert hier herzerfrischend vor sich hin. Eine schattige Laube steht direkt daneben, und darin sitzt ein Mann mit Halbglatze vor einem Laptop, halb mit dem Rücken zu ihnen und offenbar ganz und gar in seine Arbeit vertieft.
    Ein paar Sekunden lang lassen sie dieses Idyll auf sich wirken, dann wird es jäh von Kindergeplärr durchbrochen. Böhm reagiert nur mit einem knappen Blick zur Seite, tippt dann gleichmütig weiter. Automatisch guckt auch Manni in die Richtung, aus der das Geblök kommt, und entdeckt zwei rotznasige Kleinkinder in einem Sandkasten auf dem Nachbargrundstück. Eine blond gelockte Frau in Jeansshorts, die ihre sinnlichen Kurven hervorragend zur Geltung bringen, hebt sich den Schreihals auf die Hüfte, der, so fixiert, augenblicklich verstummt. Sie wuschelt ihm durchs Haar und stutzt, als sie Manni entdeckt. Er verkneift sich ein Zwinkern. Nicht der Ort, nicht die Zeit.
    »Herr Böhm?«, sagt Judith Krieger neben ihm.
    Der Mann am Laptop fährt zusammen und springt auf.
    »Was?«, stammelt er. »Wer?«
    Aber da ist etwas in seinen Augen, das seine Verwirrung Lügen straft. Eine Art Reserviertheit, vielleicht auch Kälte, die noch zunimmt, sobald sie sich vorstellen. Er ist nicht überrascht, dass die Polizei zu ihm kommt, er hat uns erwartet, denkt Manni, und im selben Moment wird er plötzlich ganz ruhig, ja, fast heiter. Sie sind richtig hier, o ja, daran besteht kein Zweifel, und wie zur Bestätigung senkt Kurt Böhm den Kopf und klappt seinen Laptop zu.
    »Kommen Sie bitte«, sagt er nach einem schnellen Blick auf seine Nachbarin, »gehen wir nach drinnen, da sind wir ungestört.«
    ***
    Der Täter hat Kontakt mit der Polizei aufgenommen. Und er war offenbar noch in der Nähe des Tatorts, als Judith Krieger eingetroffen ist. Gut, okay, wirklich zugegeben hat die Polizei das nicht. Aber sie haben es auch nicht geleugnet, und tatsächlich lässt das plötzlich erwachte Interesse Judith Kriegers an seinen Tatortfotos keine andere Schlussfolgerung zu. Ein Täter, der der Polizei quasi vor der Nase herumspaziert – das ist ein echter Hammer! Schade, sehr, sehr schade, dass er darüber vorläufig nicht berichten kann. René Zobel erreicht das Nobelviertel Marienburg und manövriert seinen Wagen in eine Parklücke im Schatten eines Baums. Jeden noch so verwackelten Schnappschuss, die die Gaffer aus der Altstadt ihm zugespielt hatten, hat er der

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