Nichts für Anfänger - Roman
zeigen. Wenn nicht für mich, dann für mein ungeborenes und bald schon nicht mehr lebendiges Kind.
Die Fahrt rauf zum Three Rock Mountain vergeht in nahezu ungebrochener Stille. Neil Hennessy, ein kleiner, blonder, zehnjähriger Pimpf von den Kilcumaner Pfadfindern, dessen Mam letztes Jahr gestorben ist, ist der Einzige, der etwas sagt. Er war noch nie von zu Hause weg, deshalb ist das hier eine richtig große Sache für ihn, und er kann eine Zeit lang nicht aufhören, blöde Fragen zu stellen. Gibt es Bären auf dem Three Rock Mountain? Oder Wölfe? Wie gehen wir im Dun keln aufs Klo? Haben wir Pisspötte im Zelt? Wie sollen wir die Schafe von unserem Essen fernhalten? Und so weiter. Ihm antwortet sowieso niemand. Ansonsten herrscht hinten in dem gemieteten Toyota Hiace Totenstille. Die anderen drei Jungs, alle hart gesottene Messdienerveteranen aus der Kirche, haben nichts hinzuzufügen. Ich vermute mal, dass sie alle O’Culigeen von seiner schlimmsten Seite kennen und entweder mit Grauen der unvorstellbaren Freakshow-Natur-Hölle harren, die in den nächsten drei Tagen vermutlich auf sie wartet, und die Aussicht darauf hat sie schon in wortlose Stille getaucht .
Unterdessen krallt sich O’Culigeen mit seinen Knight-Rider- Handschuhen und bitterböser Miene ans Lenkrad und köchelt in wütendem Schweigen vor sich hin. Ihm ist fast die Kinnlade runtergeklappt, als er Vater Jason gesehen hat, der federnden Schrittes mit einem riesigen blauen Rucksack auf dem Rücken neben mir zum Van kam. Vater Jason ist total cool geblieben und hat gesagt, dass er unsere Truppe auf gar keinen Fall stören wird und er sein eigenes Zelt mitgebracht hat und alles, aber dass er so Lust auf ein wenig Gesellschaft hat und sich dachte, es wäre ein Riesenspaß, sich uns Jungs anzuschließen und ein paar Tage lang nichts als Männerkram zu machen.
O’Culigeen bekam kaum ein Wort raus. Er öffnete die hinteren Türen des Vans, und als wir alle in einer Reihe einstiegen und brav einer nach dem anderen an ihm vorbeiliefen, packte er sich meinen Arm und zerrte einmal ordentlich dran, als wollte er sagen: Das warst du! Und: Ich will meine zweihundert Pfund zurück! Ich sage nichts und quetsche mich einfach an ihm vorbei und suche mir einen Platz auf dem Boden neben Hennessy. Wir sitzen im Schneidersitz auf Spanplatten, ohne Sitze, Gurte oder Ähnliches. Den Van hat O’Culigeen von seinem toten Bruder Padraig geerbt, und er ist, wie sein neuer Besitzer sagt, wirklich sehr nützlich. Man lasse seiner Fantasie freien Lauf.
Die besagten zweihundert Pfund hat er mir am Tag vorher an der Haustür abgeliefert. Im Grunde war es eine Erpressung. Nennen wir es mal Erpressung, aber eigentlich war es eher eine Art spielerische Flirtdrohung. Auf dem Zettel, den ich in die Sakristei gelegt habe, stand ganz einfach: »Vergegeben und vergessen. Für zweihundert Pfund. Bar. In diesem Umschlag. Bis Freitag. Oder ich komme nicht mit. Bring ihn persönlich vorbei. Dein Hündchen. Xxx.«
Das Bargeld ist für die Abtreibung. Wie sich herausstellt, ist der Mist viel teurer, als ich gedacht hätte. Fiona hat von Tante Graces’ Büro aus alles recherchiert, und nachdem sie mir eine ordentliche Standpauke darüber gehalten hat, wie skandalös es ist, jemanden zu schwängern, wo ich doch selbst gerade erst aus den Windeln raus bin, hat sie mir gesagt, dass Tickets für die B&I -Line-Fähre hin und zurück nach Holyhead dreißig Pfund pro Person kosten! Der Zug nach London kostet für beide noch mal einen Fünfer obendrauf, und dann ist da noch die Abtreibung selbst, was auch nicht billig wird, aber das müssen wir mit den Leuten von der Marie-Stopes-Klinik im Londoner West End selbst ausmachen. Zweihundert Pfund, so Pi mal Daumen, sollten für alles reichen.
Saidhbh überhaupt dazu zu bekommen, darüber nachzudenken, ist ein Albtraum. Die Woche über sehe ich sie kaum, weil sie jetzt mitten in den Abschlussprüfungen steckt und Teil eins und zwei der schriftlichen Französischprüfung und dann die Mündliche und dann noch zwei Mathehausarbeiten und drei Irischhausarbeiten innerhalb von vier Tagen auf sie eindonnern. Als sie endlich mit einem privaten Notfalltreffen am See in Belfield einverstanden ist, vermassle ich das Ganze, indem ich all meine Kraft aufbiete, um sie zu beruhigen, und gleichzeitig all meinen Mut zusammennehme, um ihr zu sagen, dass ich den gesamten Abtreibungstrip klargemacht habe und ein Wort von ihr genügt, und wir sind am Montagmorgen
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