Niewinter 01 - Gauntlgrym
schwebenden Berg war die erste der legendären Nesser-Enklaven gewesen. Sie hatte versucht, dem Absturz zu entkommen, es aber nur bis an die Elfengrenze des Reiches von Nesseril geschafft. Dort war sie genau wie alle anderen Enklaven außer der vorausschauenden Enklave der Schatten zerschellt, als Karsus eine Göttin ihrer Macht beraubte und die Magie selbst versagte. Bisher hatten sie nur Sakkors wiedergefunden, das schon wieder flog und irgendwann besiedelt werden sollte. Die anderen großen Enklaven wurden unter den Sandstürmen der unnatürlichen Wüste der Phaerimm zerrieben, aber Xinlenal war in die Gegend des Niewinterwalds gestürzt. Das jedenfalls glaubten die zwölf Prinzen. Und was die zwölf glaubten, glaubte das Reich Nesseril.
Alegnis erste Amtshandlung für die Suche nach Xinlenal war der Rückruf seines besten Kundschafters und Mörders. Das hatte Barrabas dem Grauen überhaupt nicht gepasst, der längst in Calimhafen ein ziemlich luxuriöses Leben führte. Dort hatte er sich in den Dienst der Nesser-Bosse gestellt, die in dieser Stadt die Herrschaft über den Straßenhandel anstrebten. Vor allem aber hatte er Erzgo Alegni damals nur selten zu Gesicht bekommen.
Dem Tiefling war bewusst, dass Dienen Barrabas dem Grauen zutiefst zuwider war. Barrabas hatte nichts gegen Hierarchien und hatte auch nie selbst ein Kommando angestrebt, aber Alegni wusste, dass er sich gern als unabhängiger Auftragsmörder verdingte, der für die Paschas von Calimhafen gegen zuvor vereinbarte Belohnungen bestimmte Dienste erbrachte. Das alles hatte sich durch Alegni jedoch geändert. Die Herrschaft, die der Tiefling und andere Nesser-Adlige über Barrabas ausübten, stützte sich einzig und allein auf magische Zwänge.
Deshalb sah Barrabas der Graue sich als Sklave an. Man quälte ihn zwar nur selten mit der vernichtenden Magie und verlangte nie zu viel von ihm, so dass er im Grunde genommen nach den Maßstäben von Memnon oder Calimhafen ein sehr gutes Leben hatte, aber es blieb ein Zwang, und Alegni wusste, dass der an ihm nagte.
Der Tiefling drehte sich zu Barrabas um und sagte: »Du schlägst also vor, dass wir die Stadt vorerst in Ruhe lassen?«
»Sie sind Feinde unserer Feinde«, antwortete Barrabas. »Aber sie sind auch Freunde von Tiefwasser, also nicht unsere Freunde.«
Alegni nickte nachdenklich. »Dann sollen sie und die aus Tay sich ruhig gegenseitig umbringen. Treib dich ein bisschen in der Stadt herum, damit du mich informieren kannst, wenn sich etwas Wichtiges tut.«
»Und die Brücke?«
»Sollen sie sie doch nennen, wie sie wollen«, befand Alegni, obwohl seine wahren Gefühle bei diesen Worten durchschimmerten. Der Tiefling musste vorsichtig sein und sich seinen Platz im Reich wieder sichern, doch es gab weniger Ressourcen und mehr zu verlieren.
»Ein bisschen«, wiederholte Barrabas. »So kurz, dass ich anschließend nach Süden zurückkann?«
»Hier herrscht Krieg, und du willst verschwinden?«, fauchte Alegni, der genau wusste, dass Barrabas der Graue diese Antwort befürchtet hatte. »Ab mit dir in den Niewinterwald. Vorläufig weise ich dich keiner Kompanie zu, aber ich erwarte, dass du dich im Kampf gegen meine Feinde bewährst.« Er gab Barrabas einen Beutel, der beim Überreichen so klang, als ob er viele kleine Metallkapseln enthielt. »Halte dich von den Untoten fern und kümmere dich lieber um diese dämlichen Ashmadai. Wenn sie tot sind, schüttest du dieses Weihwasser über sie, damit der Todesring sie nicht fressen und in Untote verwandeln kann.«
»Du hältst die Ashmadai für dämlich, weil sie einem Teufel die Treue geschworen haben?« Barrabas’ Grinsen teilte Alegni unmissverständlich mit, dass diese Bemerkung gezielt auf die Abstammung des Tieflings gerichtet war.
»Verschwinde, Barrabas«, befahl Alegni. »Alle zehn Tage erstattest du mir persönlich Bericht über die Stadt, und bei dieser Gelegenheit leistest du mir gleichzeitig Tribut in Form von Brandzeichen der Ashmadai. Enttäusche mich nicht, sonst findest du dich bald in den Stoßtrupps meiner einfachen Hauptleute wieder.«
»Hier drüben! Ungläubiger!«
»Tötet ihn!«
Die drei Ashmadai stürmten vor und zückten ihre Speerstäbe.
»Er ist in den Wald gelaufen!«
Tatsächlich war er das. Anschließend war er so geschickt und schnell auf einen Baum geklettert, dass der Aufstieg ihn kaum aufgehalten hatte. Von einem Ast aus beobachtete Barrabas der Graue amüsiert, wie sie näher kamen. Natürlich konnte er
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