Night World - Gefährten des Zwielichts - Smith, L: Night World - Gefährten des Zwielichts - Night World - Soulmate
Hintertür. Es war eine wunderschöne Nacht. Der Mond warf einen silbrigen Schein über alles und der Horizont schien sehr weit weg zu sein. Hannahs Garten verschmolz mit den Gräsern der Prärie im Hintergrund. Der Wind wehte den sauberen, würzigen Geruch von Salbei zu ihr herüber.
Bald werden wir Frühlingsblumen haben, ging es Hannah durch den Kopf. Astern und Blausterne und kleine goldene Butterblumen. Alles wird für eine Weile grün sein. Der Frühling ist die Zeit des Lebens, nicht des Todes.
Und es war vollkommen richtig gewesen hinauszugehen. Ich fühle mich jetzt entspannter. Jetzt kann ich wieder hineingehen und mich endlich hinlegen …
In diesem Moment begriff sie, dass sie beobachtet wurde.
Es war dasselbe Gefühl, das sie seit Wochen hatte, das Gefühl, dass in der Dunkelheit Augen waren, auf sie gerichtete Augen. Ein Adrenalinschub war die unvermeidliche Folge.
Keine Panik, sagte sie sich. Es ist nur ein Gefühl. Wahrscheinlich ist hier draußen gar nichts.
Sie machte langsam einen Schritt rückwärts in Richtung Tür. Sie wollte sich nicht zu schnell bewegen. Sie hatte die irrationale Gewissheit, dass sie sich nicht umdrehen
und losrennen durfte, weil sonst was auch immer sie beobachtete hervorspringen und sie schnappen würde, bevor sie die Tür aufbekam.
Während sie sich zentimeterweise rückwärts schob, strengte sie ihre Augen und Ohren so sehr an, dass sie schon graue Punkte sah und ein dünnes Klingeln hörte. Sie versuchte verzweifelt, irgendein Anzeichen von einer Bewegung, einem Geräusch aufzufangen. Aber alles war still, bis auf die normalen entfernten Laute, die man draußen immer hörte.
Und dann sah sie den Schatten.
Schwarz vor der helleren Schwärze der Nacht bewegte er sich im Blaustengelgras. Und er war groß. Nicht wie eine Katze oder irgendein anderes kleines Tier. Groß wie ein Mensch.
Er kam auf sie zu.
Hannah glaubte, vielleicht ohnmächtig zu werden.
Mach dich nicht lächerlich, sagte eine scharfe Stimme in ihrem Kopf. Geh hinein. Du stehst hier im Licht der Fenster; du gibst eine perfekte Zielscheibe ab. Geh schnell hinein und schließ die Tür ab.
Hannah fuhr herum und wusste, noch während sie das tat, dass sie nicht schnell genug sein würde. Der Schatten würde auf ihren ungeschützten Rücken springen. Er würde …
»Warte«, kam eine Stimme aus der Dunkelheit. »Bitte. Warte.«
Eine Männerstimme. Unvertraut. Aber sie schien Hannah zu packen und festzuhalten.
»Ich werde dir nicht weh tun. Ich verspreche es.«
Lauflauflauflauf!, rief Hannahs Verstand.
Ganz langsam, eine Hand auf dem Türknauf, drehte sie sich um.
Sie beobachtete den dunklen Schatten, der sich ihr aus der Schwärze der Nacht näherte. Sie versuchte erst gar nicht, noch einmal zu fliehen. Sie hatte das schwindelerregende Gefühl, dass das Schicksal sie eingeholt hatte.
Der Boden fiel schräg ab, sodass ihr das Licht aus den Fenstern zuerst seine Stiefel zeigte, dann seine Jeans. Normale Wanderstiefel, wie jeder Bewohner Montanas sie tragen mochte. Gewöhnliche Jeans – lange Beine. Er war groß. Dann zeigte das Licht ein gewöhnliches T-Shirt, ein wenig zu kalt, um bei Nacht darin draußen zu sein, aber nichts Bemerkenswertes. Und dann seine Schultern, schöne Schultern.
Dann, als er an den Fuß der Veranda trat, sah sie sein Gesicht. Er sah besser aus als bei ihrer letzten Begegnung. Sein weißblondes Haar war nicht völlig zerzaust; es fiel ihm adrett über die Stirn. Er war nicht mit Schlamm bespritzt und seine Augen blickten nicht wild. Sie waren dunkel und so endlos traurig, dass ihr bloßer Anblick wie ein Messer ins Herz war.
Aber es war unerkennbar der Junge aus ihrer Hypnosesitzung.
»Oh Gott!«, stieß Hannah hervor. »Oh Gott.« Die Knie gaben unter ihr nach.
Es ist real. Es ist real. Er ist real, und das bedeutet … es ist alles wahr.
»Oh Gott .« Sie zitterte heftig und musste sich zwingen, aufrecht stehen zu bleiben. Die Welt um sie herum verwandelte sich und es war die orientierungsloseste Erfahrung ihres ganzen Lebens. Es war, als bewege sich das ganze Gebilde ihres Universums – es pulsierte und verlagerte sich, um Platz für neue Wahrheiten zu schaffen.
Nichts würde je wieder sein wie zuvor.
»Ist alles in Ordnung mit dir?« Der Fremde trat auf sie zu und Hannah prallte instinktiv zurück.
»Fass mich nicht an!«, keuchte sie, und im selben Moment gaben die Beine unter ihr nach. Sie glitt auf den Boden der Veranda und schaute den Jungen an, dessen
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