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Nilowsky

Nilowsky

Titel: Nilowsky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Schulz
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zerriss ihn in viele kleine Teile, die ich ins Klo warf und runterspülte.

12
    Drei Tage später, am Sonntagnachmittag, machte ich mich auf den Weg, den Nilowsky mir beschrieben hatte. Um meine Aufregung zu überspielen, ging ich beherzt und schwungvoll. Als ich allerdings Punkt fünfzehn Uhr vor der Haustür stand, brachte ich es nicht fertig, auf den Klingelknopf zu drücken. Ich musste mindestens damit rechnen, dass die Großmutter im Bett lag und nur noch auf den Tod wartete, der nun, da er den verhassten Schwiegersohn geholt hatte, auch auf sie zukommen würde, ohne Wenn und Aber, unaufhaltsam. Ich stellte mir vor, wie Nilowsky sie fütterte und ihr Wasser einflößte. Sie zum Klo trug oder ihr Windeln anlegte. Ihre schlaffe, runzlige Haut wusch. Ich stellte mir vor, dass er mich bitten würde, dabei zu helfen, sie trotzdem noch irgendwie am Leben zu halten. Aus Liebe zu ihr. Aus Angst, ohne sie zu sein. Natürlich, dachte ich, würde sie sich weigern, ins Krankenhaus gebracht zu werden. Und sicherlich würde sie sich aus dem Fenster stürzen, wenn sie nicht schon zu schwach dafür wäre, überhaupt nur bis zum Fenster zu gelangen. Vielleicht, malte ich mir aus, würde sie mich flehentlich darum bitten, sie über die Brüstung zu legen, sodass sie sich mit allerletzter Kraft in die Tiefe stürzen könnte.
    Mit jedem Gedanken wurde es mir unmöglicher, auf den Klingelknopf zu drücken. Plötzlich hörte ich Nilowskyrufen: »Warte! Musst nicht hochkommen. Wir kommen runter.«
    Wir! Das konnte nichts anderes heißen als seine Großmutter und er. Ich schaute zu den Fenstern des vierstöckigen Hauses hoch. Nirgendwo war Nilowsky oder jemand anderes zu sehen. Keine halbe Minute später öffnete sich die Haustür, und ein Mädchen, das ich nicht älter als dreizehn geschätzt hätte, stand vor mir. Sie war klein und dünn, hatte ein längliches sommersprossiges Gesicht, lange hellrote Haare, die das Gesicht noch länglicher erscheinen ließen, und sagte mit quäkender Stimme: »Hallo, ich bin Carola.«
    »Hallo, ich bin Markus«, antwortete ich. Es klang bei Weitem nicht so forsch wie ihre Begrüßung. Es klang auf peinliche Weise artig, ja verklemmt.
    »Ich weiß«, sagte sie. »Reiner hat mir von dir erzählt.«
    Nilowsky kam die Treppe herunter und stellte sich neben Carola. Neben ihr wirkte er noch größer und dünner als sonst, doppelt so groß wie sie, seine Braut. »Kommt mit!«, sagte er und lief an mir vorbei auf die Straße.
    Wir folgten ihm in Richtung Altstadt und hatten Mühe, bei seinem Tempo mitzuhalten. Carola musste sogar immer wieder ein paar Meter rennen, um nicht den Anschluss zu verlieren. Nilowsky stakste voran, als gelte es, einen Rekord zu brechen. Aber er redete nicht. Kein Wort sagte er.
    In der Altstadt angelangt, steuerte er geradewegs auf ein Café zu: Zur gemütlichen Rose . Er hatte einen Tisch auf seinen Namen reserviert, einen Tisch mit drei Stühlen. Kaum dass uns einer der Kellner zu dem Tisch geführt hatte, brachte ein anderer drei Eisbecher mitSauerkirschen und Schlagsahne. Ich fragte mich, ob Nilowsky hier ein besonderer Gast ist, der sofort bedient werden muss und von dem man weiß, was er, ganz gleich wen und wie viele Menschen er mitbringt, zu bekommen hat. Wir saßen inmitten unzähliger Kunststoffrosen an den Wänden und auf den Tischen und zwischen sonntäglich herausgeputzten Familien. Ich sah den anderen Gästen an, dass sie über uns redeten. Vielleicht hielten sie Nilowsky für den großen Bruder und uns für seine kleineren Geschwister oder für eine Minibande mit ihrem Anführer. Ich aß zaghaft von meinem Eis, während Nilowsky und Carola wie um die Wette löffelten. »Wenn du nicht schneller isst«, sagte Carola zu mir, »mach ich mich über deine Portion her, so schnell kannst du gar nicht gucken.« Und Nilowsky: »Schmeckt’s dir etwa nicht? Gibt ja so was, Geschmacksnerven ruiniert, so was gibt es ja.«
    »Nein, nein, alles in Ordnung«, beteuerte ich, rechnete aber trotzdem fest damit, dass er nun von den Chemiewerkgiften erzählen würde, die Geschmacksnerven ruinieren können.
    Aber dazu kam es nicht, denn Carola hielt die Luft an und stieß entsetzt hervor: »Hups, in einer Kirsche war noch ein Kern. Den hab ich verschluckt. Oje, oje, oh Mann, oh Mann.«
    »Du mit deinem Aberglauben«, stöhnte Nilowsky. Dieses Stöhnen hatte jedoch etwas Nachsichtiges, etwas Liebevolles gar, und zu mir, der ich jetzt nicht weniger schnell aß als er, sagte er: »Weißt du,

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