Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)
verabschiedet. Umanákhu hatte ihm ein paar Streifen Gunwaz zugesteckt – auf dem Schwarzmarkt ein kleines Vermögen wert –, obwohl er wusste, dass Auric sich jetzt von Drogen fern hielt. „Vielleicht überlegst du es dir ja irgendwann noch mal. Oder du verkaufst es. In Kvay-Nan hast du genau wie wir alle das Zeug gekaut und gepafft als gäb‘s kein Morgen mehr. Rott, Jinsai, Gunwaz, egal was kam.“
Ja, das war Kvay-Nan gewesen. Und das war die Armee gewesen, fügte er im Stillen für sich hinzu.
„Du bist verrückt“, sagte Kudai. „Nur weil du es dir irgendwann vor langer Zeit vorgenommen hast, musst du das jetzt nicht unbedingt durchziehen. Wir könnten dich hier brauchen, Schwarzer. Im Südosten sieht‘s nicht gut aus. Es gibt Gerüchte, dass sich der Nachfolger von diesem Krüppel Sandocj, der sich der Rote Berenk nennt, mit Eisenkrone und Vanwe verbündet hat. Einfache Aufrührer und Separatisten gemeinsam: genau was du immer befürchtet hast. Also Arbeit gibt‘s hier genug.“ Dann hatte er mit Auric Faust gegen Faust geboxt und geflüstert „Inaim ist bei dir“.
„Lass dir bloss nicht einfallen zuh kommen zurück“, sagte Crussav und nahm ihn dabei so fest in den Arm, dass er glaubte, seine Rippen müssten knacken. „Kudai hat Recht. Hier Arbeit gibt es genugg. Aber unter Czand es gibt auch Chance zu überleben, zuh beweisen sich und zuh werden befördert. Bei Czand man braucht keine Angst zu haben, dass sie sich übernimmt irgendwann an einer blöden Idee und ihr bleibt stecken im Hals, und wir bleiben stecken in Scheiße. Das mit dem Stelle freihalten und jederzeit können kommen zurück, das meint Silgenja nicht so, das war nur blöde Redensart. Also mach Studium zu Ende, komm nicht zurück. Ist besser für Überlebensstatistik von Sechzehnter.“
„Aus dir wird niemals ein guter Flachbogenschütze“, hatte Vortig gesagt. „Und soweit ich weiß, ist das auch genau das, was du willst. Viel Glück dabei.“
Ku Zwei hatte er bei Czand gelassen. Er vermutete, dass der wilde Kerl sich nicht an das Leben in einer Stadt gewöhnen würde, und der Gedanke, dass der Kleine sich unter eine Horde von streunenden, die Abfälle plündernden Straßenkötern würde mischen müssen, war ihm unangenehm.
Der Abschied von Czand selber war komplizierter und zwiespältiger gewesen.
Er würde die Aufrichtigkeit ihrer Gespräche vermissen. Und jemanden, der ihn besser kannte als sonst irgendjemand. Wie viel das auch immer bedeuten mochte.
Jetzt saß er in einem Auditorium, von anderen Studenten umgeben, und lauschte einer Erläuterung der Kategorien alt-idirischer Literatur. Und wurde dabei erneut an seine Diskussion mit Silgenja und General Kelam erinnert. Denn es ging in den Erläuterungen und Diskussionen um die Frage, welcher Dokumentationsanspruch und somit authentischer Wahrheitsgehalt den historischen Schriften von Murinja und Torarea zugrunde liege – was hier, in diesem Rund, lediglich eine Bedeutung für deren literarische Einordnung hatte.
Er hatte damals das Nachdenken über diese Werke praktischeren Zwecken zugeführt. Das Gute der hier praktizierten Herangehensweise war, dass in diesem Auditorium wenigstens jeder am Leben blieb. Er blickte sich unauffällig um. Na ja, von den hier Anwesenden hätte niemand auch nur fünf Minuten auf dem bisherigen Anwendungsfeld seines Literaturstudiums überlebt. Mussten sie ja auch nicht.
Sie konnten Gedanken formulieren über die Abkopplung des Heroismus von bedingungslosem Patriotismus bei Torarea als Zeichen literarischer Dekadenz und müssten niemals im Dreck liegen und darüber nachdenken, ob die Schlacht, der du entgegengehst und auf der dir vielleicht irgendein Nicht-Idirer einen Pfahl durch den Leib rammen wird, wirklich von dieser unbedingten Wichtigkeit für das idirische Vaterland ist, dass einer von euch dabei draufgehen muss. Wo der andere doch vielleicht nur von irgendeinem adligen, mordlustigen Drecksack zum Waffendienst gezwungen wurde und jetzt um sein blankes Leben kämpft oder, heroischer als du, einfach sein Land und seine Familie verteidigen will. All diese Fragen, die einem nachts durch den Kopf gehen, wenn du aus Träumen von Gesichtern und Toten hochgeschreckt bist. Über verständliche, begründbare Ziele, beste Absichten und den Preis, den man dafür zahlen muss.
Hier setzte er sich nun endlich mit anderen Fragen auseinander.
Er las Donutrake bei Kilin Athnaron Semander selbst, der eine der bedeutendsten Abhandlungen
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