Norddeutschland, Morddeutschland - 3 Krimis von der Küste (German Edition)
wehrte Benecke kopfschüttelnd ab. „Ich meinte diesen Met selbst. Wo kann man den kaufen? Was ist das Besondere daran?“
„Also, angeblich haben die Ranen früher so etwas getrunken und es gibt Leute, die behaupten, dass es nach einem original ranischen Rezept hergestellt sei. Aber das ist meiner Ansicht nach Unfug. Ich habe dazu auch mal einen Artikel veröffentlicht, den man im Internet aufrufen kann.“ Aha, dachte Benecke. Nun war jedenfalls klar, was Dr.
Gratzow wirklich die Zeit zum Lesen und Fernsehen raubte.
Sein Job war es wohl nicht ausschließlich. So viele Verbrechen, die von ihm als Gerichtsmediziner unter die Lupe genommen wurden, geschahen schließlich im Einzugsbereich des gerichtsmedizinischen Instituts, für das er arbeitete, wohl auch nicht.
Benecke notierte sich trotzdem die Internetadresse, unter der der Artikel aufgerufen werden konnte.
„Bei den Ranen spielte eigentlich der Wein eine viel größere kultische Rolle“, erklärte Gratzow dann.
„Davon habe ich auch schon gehört“, nickte Benecke.
„Aber wie auch immer, dieser Ranen-Met wird auf der Insel an mehreren Verkaufsstellen angeboten. Der Renner ist das Getränk wohl nicht. Und wenn ich mich nicht für heimische und historische Biersorten interessieren würde, hätte ich vielleicht nie etwas davon mitbekommen, dass es so etwas überhaupt gibt. Ranen-Met ist eine spezielle Biersorte, deren Hauptbestandteil aus gegorenem Honigsaft besteht, wie der Name Met ja schon verrät.“
„Die Sache ist die, dass wir davon ausgehen können, dass Frank Schneider nicht am Ziegenstein starb, sondern die Leiche dort auf eine besondere Weise drapiert wurde“, erläuterte Benecke.
Gratzow nickte. „Ich habe die Tatort-Fotos gesehen.
Schrecklich. Jemanden betäuben und ihm dann – vermutlich noch lebend – den Kopf abschlagen. Derjenige, der das getan hat, muss doch krank sein!“
„Wir suchen den Tatort“, sagte Benecke. „Und wenn Sie sagen, dass Frank Schneider kurz vor seinem Tod Ranen-Met getrunken hat, dann wäre es doch denkbar, dass …“
„… der Tatort sich in der Nähe einer Ranen-Met-Theke befindet!“
„Ja, so ähnlich.“
„Ich kenne nur eine Verkaufsstelle. Ein durchgeknallter Esoteriker. Er betrachtet sich als moderner Svantevit-Priester, und seine Frau versteht sich als neue Hexe. Etwas gewöhnungsbedürftig, aber harmlos, so würde ich die beiden charakterisieren. Leben in einem schmucken Reetdachhaus.
Der Kerl vertickt das Zeug auch an ein paar andere Verkaufsstellen. Ranen-Met soll nämlich gut für die Verdauung, das Herz, die Nieren und noch ein paar andere Organe sein. Aber wenn Sie mich fragen, dann schmeckt es einfach nur scheußlich!“
„Haben Sie zufällig den Namen und die Adresse dieser Leute?“, hakte Benecke interessiert nach.
„Cornelius und Erdmute von Bergen.“
Benecke schaute den Gerichtsmediziner nun doch etwas überrascht an.
„Der Adel trinkt Met?“
Grinsend schüttelte sein Gegenüber den Kopf. „Nein, nein, von Bergen ist kein Adel. Das bezieht sich einfach nur auf die Kreisstadt Bergen, die sich im Zentrum Rügens befindet. Es gib in Norddeutschland eine erkleckliche Anzahl von diesen Namen, deren Vorfahren niemals Ritter oder Grafen waren.“
„Adresse?“, fragte Benecke noch knapp nach.
„Sehen Sie auf der Homepage nach, wo auch der Artikel über den Ranen-Met steht! Da gibt es ein Verzeichnis aller heimischen Bier-Produzenten und ihrer Spezialsorten. Über einen Link sind Sie dann auch auf der Seite der von Bergens.“ Inzwischen war Frau Schneider, die Ehefrau des Ermordeten, im Gebäude der Gerichtsmedizin eingetroffen. Sie war eine attraktive Mittdreißigerin, blond, schlank und zierlich. Ihr Haar war zu einer streng wirkenden Knotenfrisur zusammengefasst. Dem Anlass entsprechend trug sie ein graues, schlichtes Business-Kostüm. Ihre Wangen wirkten eingefallen, und ihre Augen wurden durch eine große, modische Sonnenbrille verdeckt.
Hauptkommissar Jensen kümmerte sich zunächst um sie und stellte ihr Dr. Gratzow als den zuständigen Gerichtsmediziner vor.
Sie musterte ihn abschätzig, dann wandte sie sich George und Benecke zu. „Und wer sind Sie?“
„Dr. Mark Benecke, Kriminalbiologe“, sagte Benecke. „Es tut mir sehr leid, was mit Ihrem Mann geschehen ist, und ich hoffe, wir können dazu beitragen, alles aufzuklären.“ Frau Schneider gab darauf keine Antwort. Dann wandte sie sich George zu. „Ich will keineswegs, dass die Presse mir
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