Nottingham Castle, letzte Tuer links
also zusammenreimen, wohin du nachts reitest. Es
ist dieser Barde, der hübsche Allen-a-Dale, stimmt`s? Er hat sich mit seinen
Liedern in dein Herz gesungen.“ Er lächelte wissend.
Ihr Vater glaubte also,
sie verbrachte die Nächte im Sherwood Forest, weil es ihr dieser blonde Hüne
mit dem Spitzbart und der Laute angetan hatte.
Sollte sie ihn in dem Glauben
lassen? Sie hatte keine Ahnung, wie sie ihm die Wahrheit erzählen sollte. Vor allem, da sie selbst nicht genau wusste, wie die
Geschichte mit Nottingham weitergehen würde.
Sie vermied seinen Blick und versuchte selbstbewusst zu klingen.
„Ich will dich damit nicht belasten”, erklärte sie, „lass es doch einfach auf
sich beruhen, ja?”
„Susannah,
du weißt, dass ich auf Robins Seite bin! Wie jeder hier im Dorf. Und ich
unterstütze seinen Kampf, wo immer ich kann. Du darfst offen mit mir reden, so,
wie wir es immer getan haben.”
„Das
nutzt doch niemandem.” Sie wand sich innerlich. Ihr Vater hatte sie nach dem
frühen Tod der Mutter allein aufgezogen und sie waren stets ehrlich zueinander
gewesen.
„Das
ist kein Spiel, Susannah”, sagte er mit ruhiger Stimme. „Der Sheriff jagt seine
Männer zur Zeit an allen Ecken und Enden in den Wald. Und die strecken alles nieder,
was sich ihnen in den Weg stellt, egal ob Mann, Kind oder Frau. Ich will mich
gar nicht in dein Liebesleben einmischen, das weißt du, ich will doch nur
wissen, in wessen Nähe ich meine Tochter suchen muss, wenn wieder große Kämpfe stattfinden!”
Verdammt!
Ihr Vater machte sich Sorgen und versuchte, sie vor Bedrohungen zu beschützen.
Und sie? Sie hinterging ihn und verbrachte ihre Nächte beim Erzfeind des ganzen
Dorfes. Wenn auch nicht freiwillig. Doch wenn sie ihrem alten Herrn davon berichtete,
würde sie ihn nur in Gefahr bringen.
Sie
legte ihre Hand beruhigend auf seinen Arm. „Ich pass auf mich auf. Und verspreche
dir, dass ich vorsichtig bin. Mehr kann ich dir wirklich nicht erzählen.“
Er schwieg einen unerträglich langen Moment. Seine Stimme klang ein wenig
enttäuscht, als er endlich antwortete. „Dann wird mir das wohl genügen müssen“,
sagte er und wandte sich wieder seinen Tinkturen zu.
Susannah schluckte hart. Zum ersten Mal hatte sie ihrem Vater nicht die
Wahrheit erzählt. Und das gefiel ihr gar nicht. Alles nur wegen dieses Bastards
Nottingham! Wütend biss sie die Zähne aufeinander.
Dann
sah sie ihm zu, er nahm seine Arbeit wieder auf, mischte, rührte, legte am Ende
den Löffel beiseite. Vorsichtig befüllte ihr Vater zwei Flakons mit der nun
stark verdünnten Lösung. Oder verstärkten, je nachdem, ob man an diese
neuartige Kräuterkunde glaubte. Das kleinere Fläschchen hielt er Susannah
entgegen. „Aconitum in höchster Stärke, damit solltest du fast jeden Schock in
den Griff bekommen.“
„Danke“, sagte sie und verstaute den winzigen Flakon in ihrer Rocktasche. So
hatte sie ihn immer greifbar und würde das Heilmittel bei der nächsten
Niederkunft einmal ausprobieren.
Sie hörte Hufschläge und sah aus dem Fenster. Ein unbekannter Reiter näherte
sich dem Haus.
Ihr Vater öffnete die Tür und hielt eine Hand über die Augen, um den Besucher
im blendenden Sonnenlicht besser erkennen zu können.
Es war ein ärmlich gekleideter Bauer, den sie beide noch nie gesehen hatten. Offenbar
kam er aus einem der weiter abgelegenen Dörfer. Er stieg ab, grüßte unbeholfen
und kam gleich zur Sache.
„Wir brauchen einen Arzt in Piddleton! Mein Bruder ist schwer krank, er hat
hohes Fieber und wir wissen nicht mehr weiter.“
Ihr Vater hatte im ersten Moment unwillkürlich zu seiner Tasche gegriffen, dann
hielt er inne. „Piddleton?“, fragte er. „Das ist eine Stunde Ritt von hier. Ihr
habt doch selbst einen Arzt, warum bist du nicht zum alten Miller geritten?“
Unruhig drehte der Bauer den Hut in der Hand hin und her. „Er war nicht
auffindbar, vielleicht ist er bei einem anderen Kranken.“ Seine Stimme wurde
flehend. „Bitte kommt mit, es ist wirklich wichtig!“
Die Beunruhigung des Mannes klang so eindringlich, dass der Arzt seine Tasche
ergriff und zum Stall eilte.
„Soll
ich dich begleiten?“, rief Susannah ihm nach, weil sie ein ungutes Gefühl
hatte. Irgendwas kam ihr seltsam vor bei der ganzen Angelegenheit. Doch die
Aufregung des Mannes hatte echt geklungen.
Ihr Vater drehte sich nur kurz um. „Unsinn“, rief er und ging weiter.
Sie
wusste selbst, dass nicht zwei Ärzte für einen Fieberpatienten vonnöten waren
und sie
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