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Nuhr, Dieter

Nuhr, Dieter

Titel: Nuhr, Dieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuhr auf Sendung
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zu
behalten, weil sie glauben, es könnten schlechte Zeiten kommen. Das ist
Quatsch. Wir haben bereits schlechte Zeiten. Das ist natürlich ebenfalls
Quatsch, aber die Menschen in diesem Land hören es einfach gern. Bei uns geht
es den Menschen nur gut, wenn sie glaubhaft versichern können, dass alles
schlecht ist.
    Dabei ist doch eigentlich alles großartig! Unsere Wirtschaft
hat mehrere Jahre Krise überlebt, und dennoch werden noch immer vereinzelt
Waren oder Dienstleistungen in unserem Land produziert. Kein Mensch weiß, warum
das immer noch klappt, dennoch bleibt festzustellen: Unsere Wirtschaft ist zwar
tot, aber wir wissen aus dem Kino, dass Untote oft eine erstaunliche Energie
entwickeln.
    Damals guckte man sich im Kino noch Filme an, die hießen:
»Die Nacht der reitenden Leichen«. Das macht heute kein Mensch mehr. Wenn man
heute Untote sehen will, dann guckt man sich auf Phoenix die Übertragung aus
dem Bundestag an. Auch gut.
     
    Ich trau mich Was! 13. Januar 2004
    Dieses Jahr, das habe ich mir ganz fest vorgenommen,
dieses Jahr mache ich alles, was ich mich sonst nie getraut habe, ich will
nicht mehr alles schlucken, nein. Zum Beispiel will ich in der Straßenbahn,
wenn mein Sitznachbar wieder mal eklig nach Schweiß riecht, einfach aufstehen
und ihm sagen: »Mein Herr! Sie stinken wie eine alte Pottsau!« Das mache ich.
Ich habe mir vorgenommen, mutiger zu sein.
    Wobei man mutig und idiotisch nicht verwechseln darf. Das
liegt nah beieinander. Wenn der Mann eine Glatze und einen Baseballschläger
hat, dann lass ich das lieber. Man muss seine Grenzen kennen.
    Aber sonst mache ich alles, ich trau mich was! Mal zum
Chef gehen und sagen: »Entschuldigen Sie! Was ich Ihnen schon immer mal sagen
wollte: Wenn hier statt Ihnen ein Schimpanse säße - unserer Firma ginge es
besser.« Leider habe ich keinen Chef. Ich bin ja selbstständig. Aber wenn ich
einen hätte, würde ich dem mal so richtig die Meinung sagen.
    Oder mal zu Hause auf den Tisch hauen! Mal alles rauslassen,
mal allen sagen, was mich stört, das mach ich, mal so richtig losbrüllen: »Ich
will nicht mit euch wohnen, ich will allein sein!« Nun wohne ich ohnehin allein
- aber egal, das kann man doch mal laut sagen!
    Mal aus sich rausgehen. Mal mit einem Schalkeschal zum BVB
gehen. Beim Nobelitaliener einen ganz seltenen Brunello di Montalcino Jahrgang
1990 bestellen und dann laut rülpsen.
    Es gäbe so viel, was man sich trauen könnte, wobei mir auffällt,
dass es vielleicht auch gar nicht schlecht ist, sich nicht alles zu trauen.
Islamisten beispielsweise trauen sich was, die sind da ganz unverklemmt und
sagen: »Wenn die Welt nicht so ist, wie mir das passt, dann sprenge ich mich in
die Luft!« Das ist zwar ganz schön mutig, allerdings auch ganz schön dämlich.
Und das ist vielleicht auch ein weithin unterschätzter Zusammenhang:
Dämlichkeit und Mut hängen oft eng zusammen.
     
    Wein 25. Januar 2004
    Ich bin ja Tourneekünstler, aber (und das ist etwas ganz
Seltenes) ich bin trotzdem kein Alkoholiker. Man hält das erst gar nicht für
möglich, aber das gibt's. Normalerweise erkennt man einen Tourneekünstler
daran, dass er neben dem Bett eine Flasche Fernet Branca stehen hat, falls er
nachts mal Durst bekommt. Ich aber finde: Wer so etwas trinkt, der isst auch
kleine Kinder. Und das ist kein schöner Charakterzug.
    Ich meine, ich bin auch kein Antialkoholiker. Das wäre mir
zu ungesund. Ab und zu mal ein Glas Wein, das ist ja für die Gesundheit
offenbar super. Menschen, die gar keinen Alkohol trinken, sterben nachweislich
früher. Das Hirn ist so eine Art Schwamm, und wenn der nicht ab und zu mal
getränkt wird, wird er irgendwie hart und verrottet.
    Aber der Wein muss gut sein. Es gibt ein paar echte Neuronenkiller,
so für 1,69 in der Literflasche, die von der Speiseröhre aus gleich in die
Leber geleitet werden. Für das Geld kann da gar kein Wein drin sein. Damit
wurden normalerweise die Fässer ausgewaschen, bis einer auf die Idee kam, das
verkaufen wir noch ...
    Nein. »Wein muss eine tiefgründige Eleganz besitzen.« Hat
mir jetzt so ein Weinfritze erklärt. Er meinte: »Dieser hier ist von
unglaublicher Tiefe. Im Aromenspektrum entfalten sich Dattel, Holunder und ein
Hauch Vanille. Den Kontrapunkt setzen Aromen von Zeder und Kaffee.« Ich dachte
allerdings: »Wenn ich Kaffee trinken will, mache ich mir da nicht besser
einfach einen Kaffee?« Anstatt mir den Kaffee in den Wein zu gießen? Ich trinke
Kaffee lieber einzeln. Und

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