Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nur dein Leben

Nur dein Leben

Titel: Nur dein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
Vom Netzwerk:
sie ihn einen Moment lang an und lächelten, ganz so, als wüssten sie, dass das von ihnen erwartet wurde.
    John gefror das Blut in den Adern. Sie sahen einfach zu hübsch, adrett und ordentlich aus. Phoebe trug einen flaschengrünen Trainingsanzug und weiße Turnschuhe, Luke einen marineblauen Rollkragenpullover, gebügelte Jeans und ebenfalls makellos saubere Turnschuhe. Kein Härchen tanzte aus der Reihe. Für einen Augenblick hatte er den Eindruck, als betrachte er Roboter, keine echten Menschen, nicht seine Kinder. Am liebsten wäre er aus dem Raum geflüchtet, doch stattdessen blieb er hartnäckig und versuchte, die neuesten Ratschläge von Dr. Michaelides in die Tat umzusetzen.
    So locker und fröhlich er konnte, kniete er sich hin und hielt seine Wange erst Luke, dann Phoebe hin. Beide zuckten zurück.
    »Kein Küsschen für Daddy?«
    »Küssen führt zu Sex«, erwiderte Luke und drehte sich abweisend wieder zum Bildschirm.
    »Wie bitte? Was hast du da gesagt, Luke?«, fragte John erstaunt. Alle möglichen Alarmglocken schrillten. Hatte er sich verhört? Er hoffte es inständig. Doch gleich darauf bestätigte Phoebe, dass das nicht der Fall war.
    »Wir küssen nicht«, sprach sie arrogant. »Wir wollen nicht missbraucht werden.« Dann wandte auch sie sich wieder dem Monitor zu.
    »Moment mal«, sagte John und suchte krampfhaft nach einer Erwiderung. »Hey, hört mir mal zu …« Er starrte das glänzende Gehäuse des Computers an, die Tastatur, die Maus, das bunte Mauspad. Der säuerliche Geruch von Plastik stieg ihm in die Nase.
    Luke bewegte die Maus. Der Cursor huschte über den Bildschirm und blieb auf einem Rechteck stehen. Ein Doppelklick, das Rechteck öffnete sich wie ein Miniatur-Fenster, und eine leuchtende Zahlensequenz erschien.
    John stand auf, ging zur Wand und zog den Stecker heraus. Beide Kinder blickten zu ihm auf, nicht im mindesten überrascht. »Entschuldigung«, sagte John. »Was soll dieser Quatsch über Missbrauch? Wo habt ihr das her? Aus dem Internet?«
    Keiner der beiden sagte etwas.
    »Denkt ihr so über Mummy und mich? Dass wir euch missbrauchen wollen? Spinnt ihr eigentlich?!«
    Beide standen auf und verließen den Raum.
    »Luke! Phoebe!«, kommandierte John, der seine Wut kaum noch zügeln konnte. »Kommt zurück, ich rede mit euch!«
    Er riss die Tür auf und brüllte sie an. » LUKE ! PHOEBE ! KOMMT AUF DER STELLE HIERHER !«
    Doch sie reagierten gar nicht und gingen hinunter.
    Er rannte hinter ihnen her, blieb aber dann stehen. Wie sollte er damit umgehen? Es war, als hätte er pubertierende Teenager vor sich. Waren sie das? Jugendliche?
    Er zitterte vor Wut und konnte kaum mehr klar denken. Am liebsten hätte er sie gepackt und geschüttelt, die kleinen Mistkäfer geschüttelt, bis die Wahrheit aus ihnen herausfiel. Doch Sheila Michaelides hatte sie gewarnt, dass Konfrontationen mit den Zwillingen diese nur noch mehr in die Isolation treiben würden – genau wie Teenager, dachte John.
    Sie haben leicht reden, Dr. Michaelides – aber wie soll man Ruhe bewahren, wenn man so was an den Kopf geworfen bekommt? Von Dreijährigen?
    Auf einmal fiel ihm wieder ein, weshalb er eigentlich raufgegangen war. Er ging ins Schlafzimmer, nahm die beiden Schlüssel heraus, die unter seinen Taschentüchern versteckt waren, öffnete seinen Kleiderschrank, schob mit klackernden Kleiderbügeln seine Anzüge und Hemden beiseite und gelangte an den Stahlwaffenschrank, den er an der Wand montiert hatte. Er schloss die Tür auf und nahm das schwere Gewehr heraus, das darin lag.
    Es war ein russisches Kleinkalibergewehr, Kaliber zwölf, das er nach dreimonatiger Wartezeit auf seinen Waffenschein gekauft hatte, zu der Zeit, als die Alarmanlage installiert und all die anderen Sicherheitsmaßnahmen ergriffen worden waren. Er hatte die Waffe kein einziges Mal benutzt, und Naomi war vehement gegen ihre Anschaffung gewesen. Doch seitdem sie im Haus war, fühlte er sich nachts sicherer.
    Sie kam ihm schwerer vor als in seiner Erinnerung; der Kolben schien warm, die Läufe kalt wie Eis zu sein. Er klappte sie auf, bewunderte einen Augenblick die kunstvolle Mechanik, und spähte durch das glänzende Innere der Läufe. Als er die Waffe wieder schloss, beruhigte ihn das satte Klicken. Er hob das Gewehr an die Wange, blickte über den Stift des Visiers an den Läufen entlang und drückte den Abzug.
    Nichts geschah.
    Der Sicherheitshebel!,
fiel ihm ein. Er entfernte ihn, zielte auf das Fenster, festigte

Weitere Kostenlose Bücher