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Nur dein Leben

Nur dein Leben

Titel: Nur dein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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damit rechnen, dass die Bewohner schlafen.
    Das Schlafzimmerfenster der Sünder war dicht beschlagen, doch schon bald würde es zusehends klarer werden.
     
    Es war dunkel in ihrem Zimmer. Ihre Eltern ließen nicht mehr das Bob-der-Baumeister-Nachtlicht brennen. Doch es spielte keine Rolle, dass sie nichts sehen konnten. Dafür wurden die anderen Sinne geschärft. In der Dunkelheit nahmen sie Gerüche stärker wahr, fühlten intensiver, hörten deutlicher.
    Sie rochen ihn jetzt. Sie hörten ihn.
    Bald würden sie ihn berühren.
    Dicht nebeneinander in ihren kleinen Betten, in der Dunkelheit des Zimmers, in dem Haus, in dem sie bisher gelebt hatten, aber schon bald nicht mehr leben würden, rief Luke mit einer Stimme, die für das menschliche Ohr zu hoch war, seiner Schwester etwas zu. Nur ein Wort, rückwärts gesprochen, in dem der vierte Buchstabe fehlte.
    »Gitef?«
    Nur Sekundenbruchteile später, mit einer Stimme, die gleichfalls für ein normales menschliches Ohr nicht wahrnehmbar war, antwortete Phoebe.
    »Gitef.«

96
    SIE BEOBACHTETEN IHN AUS SICHERER ENTFERNUNG  – eine Gestalt in dunkler Baseballkappe, Anorak und Stiefeln. Im Augenblick hielt er sein Fernglas auf das Haus gerichtet. Das Gewehr lehnte am Zaun. Sie waren zu weit weg, um erkennen zu können, ob es sich bloß um ein Luftgewehr oder um eine Jagdflinte handelte.
    Sie hielten eine Distanz von konstant zweihundert Metern, seitdem sie ihn von dem Parkplatz hinter der Schule hatten kommen sehen, wonach er die Straße überquerte und den Fußweg einschlug. Er hatte sich nicht ein einziges Mal umgeblickt.
    Auch sie hatten Nachtsichtgeräte, waren aber besser ausgerüstet als er. Beide trugen Brillen und dazu Ferngläser um den Hals. Durch die Spezialbrillen schien alles in ein grünliches Tageslicht getaucht. Eine Eule stieß hinunter auf ein Feld und flog mit einer zappelnden Maus in den Fängen wieder auf.
    Im Schutz einer Hecke, für den Fall, dass er sich umsah, beobachteten sie, wie er das Fernglas sinken ließ und nach wenigen Minuten wieder ansetzte. Sie wussten nicht, worauf er wartete und sahen sich fragend an. Keiner von beiden sprach, denn er stand windabwärts von ihnen. Trotz des Sturms, der viele Geräusche überdeckte, konnten sie nicht das leiseste Flüstern riskieren.
     
    Die Scheiben waren jetzt fast klar! Der Apostel fühlte jetzt eine Ruhe in sich. Sein Herz schlug nicht mehr wie wild in seiner Brust, sondern gleichmäßig und kräftig. Es pumpte das Adrenalin durch seine Adern, das ihn aufmerksam und reaktionsschnell machte, und die Endorphine, die ihn in Hochstimmung versetzten. Er sah auf die Uhr.
    00 : 22  Uhr.
    Jetzt!
    Während er über den Zaun auf das Feld kletterte, das an den Garten der Sünder angrenzte, fühlte er sich einige großartige Momente lang unbesiegbar. Er duckte sich tief, um das Risiko zu minimieren, vom Haus aus gesehen zu werden, und arbeitete sich so schnell wie möglich, aber vorsichtig, damit er sich nicht den Knöchel in einem Kaninchenloch verknackste, über das sumpfige, regennasse Feld vor.
    Als er den Grenzzaun erreichte, klopfte ihm wieder das Herz. Näher wagte er sich noch nicht heran. Das nur fünfzehn Meter entfernte Haus ragte hoch und düster über ihm auf. Im Elternschlafzimmer waren die Gardinen zugezogen, und das Fenster war geschlossen. Gut. Er starrte die Autos der Sünder auf der Kiesauffahrt an. Nur der Saab und der Subaru. Keine Übernachtungsgäste. Gut. Dann richtete er den Blick auf die Wand, an der er bei seinem Besuch den Sensor gesehen hatte.
    Er kniete sich hin, nahm das Gewehr und legte es, mit seiner Hand abgepolstert, auf einen Zaunpfahl. Er zog die Schutzhüllen vom Nachtsichtteleskop, steckte sie in die Anoraktasche und visierte das Haus an. Schon nach kurzer Suche fand er den Sensor für die Bewegungsmelder, einen winzigen, konvexen Glas- oder Plexiglasstreifen, eingebettet in weißes Plastik, etwa drei Meter über dem Boden und unmittelbar unterhalb einem der Scheinwerfer.
    Doch dem Apostel zitterten die Hände wie noch nie zuvor. Er atmete tief durch, versuchte, sich zu beruhigen und richtete das Fadenkreuz aus, war aber bereits vom Ziel abgekommen. Er veränderte seinen Standpunkt ein wenig, stützte sich noch besser auf dem Pfosten ab und zielte erneut. Besser. Ruhiger, aber nicht annähernd so ruhig wie beim Training oder beim letzten Einsatz in Iowa, wo er genau das Gleiche getan hatte.
    Er krümmte den Finger um den Abzug, richtete den Lauf neu aus, ließ das

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