Nur dein Leben
angehalten.
Die Türen öffneten sich, und sie gelangten in einen breiten, angenehm gestalteten Flur, der eine Firmenatmosphäre ausstrahlte, als befänden sie sich in der Zentrale einer Bank oder eines großen, internationalen Unternehmens.
Naomi sah John von der Seite an.
Wo sind wir hier?
Er zuckte mit den Schultern:
Das weiß ich genauso wenig wie du.
Dann schaute er wieder auf sein Handy-Display. Noch immer kein Empfang.
Sie wurden jetzt den Flur entlang geführt, an geschlossenen, fensterlosen Türen vorbei. Am Ende des Flurs öffnete die Stewardess eine Tür und brachte sie in ein Vorzimmer. Eine andere wunderschöne Frau, ebenfalls Anfang zwanzig – höchstens – mit kurzen braunen Haaren und unbewegter Miene, saß an einem Schreibtisch. Auch sie trug einen weißen Overall.
»Dr. und Mrs. Klaesson«, verkündete die Stewardess.
Im Gegensatz zu den Flugbegleitern lächelte die Frau am Empfang John und Naomi freundlich zu, stand auf und öffnete die großen Flügeltüren. Dann sagte sie in prägnantem Bostoner Tonfall: »Bitte gehen Sie durch«, und trat beiseite, um sie vorbeizulassen.
John ließ Naomi den Vortritt und folgte ihr in ein geräumiges Büro mit weißem Teppichboden und erstaunlich moderner Einrichtung, deren Mittelpunkt ein ovaler, schiefergrauer Schreibtisch bildete. Von ihm erhob sich eine Gestalt.
Ein hochgewachsener, schlanker, gebräunter Mann, ebenfalls strahlend weiß gekleidet, mit dunklen, dichten Haaren, ordentlich zurückgekämmt, elegante graue Strähnen an den Schläfen. Er umrundete seinen Schreibtisch, durchmaß den Raum und begrüßte sie mit ausgestreckten Armen. Er sah keinen Tag älter aus als bei ihrer letzten Begegnung vier Jahre zuvor. Im Gegenteil, er wirkte eher verjüngt.
»Hi, John! Hi, Naomi!«, sagte er mit seinem liebenswürdigen, optimistischen kalifornischen Tonfall.
Naomi trat einen Schritt rückwärts, als hätte sie einen Geist gesehen. Dann starrten beide in sprachlosem Erstaunen den Doktor an.
122
»WAS IST HIER EIGENTLICH LOS?«, fragte John. »Könnten Sie uns das bitte mal erklären?«
Dettore ignorierte die Frage, strahlte sie an, schüttelte ihnen die Hände und sagte: »Wie sehr ich mich freue, Sie wiederzusehen!« Er bat sie zu einer Sitzgruppe rund um einen niedrigen Tisch, aber John und Naomi rührten sich nicht vom Fleck. Hinter dem Genetiker bot eine Panoramascheibe Aussicht auf den Gebäudekomplex und die Berge im Hintergrund.
»Wir dachten, Sie seien tot!«, platzte Naomi heraus. »Es hieß, Sie seien bei einem Hubschrauberabsturz umgekommen, alle berichteten darüber, im Fernsehen, in der Zeitung, Sie …«
»Bitte setzen Sie sich, Sie müssen vollkommen erledigt sein. Ich bestelle Ihnen etwas zu trinken. Wasser? Kaffee?«
»Ich möchte nichts trinken!«, entgegnete Naomi, die wieder Mut gefasst hatte. »Ich möchte meine Kinder sehen!«
»Bitte lassen Sie mich erklären, wie …«
» ICH WILL MEINE KINDER SEHEN !«, rief Naomi hysterisch.
»Wo sind wir hier eigentlich?«, fragte John. »Jetzt sagen Sie schon, wo wir hier sind, verdammt nochmal?«
»Das spielt keine Rolle«, erwiderte Dr. Dettore.
» WIE BITTE ?« Naomi explodierte.
»Das spielt keine Rolle? Wir waren vierundzwanzig Stunden unterwegs, und es soll uns egal sein, wo wir sind?« John marschierte auf den Arzt zu und schüttelte drohend die Faust. »Wir wollen unsere Kinder wiederhaben. Wir wollen Luke und Phoebe. Wenn Sie ihnen irgendetwas angetan haben, dann bringe ich Sie um, das schwöre ich, Sie Dreckskerl, dann reiße ich Sie in Stücke!«
Dettore hob beschwichtigend die Hände. »Bitte, John, ich bringe Sie ja gleich zu ihnen. Sie sind hier gut aufgehoben. Alles klar?«
»Wir wollen sie sehen, und zwar sofort!«
Unbeeindruckt antwortete Dettore: »Glauben Sie, ich hätte mir solche Mühe gegeben, Sie hierher zu bringen, wenn ich Sie Ihre Kinder nicht sehen lassen wollte?«
»Keine Ahnung, was in Ihrem kranken Gehirn vorgeht«, erwiderte John. »Wer weiß, wozu ein Mensch fähig ist, der seinen eigenen Tod vortäuscht!«
» WO SIND UNSERE KINDER ?«, kreischte Naomi.
Dettore zögerte seine Antwort einen Augenblick hinaus. Dann sprach er mit ruhiger Stimme: »Ihre Kinder sind hier, weil sie in Gefahr waren. Sie hierher zu bringen, war die einzige Möglichkeit, sie zu schützen. Sie wissen beide, dass diese religiöse Sekte alle Kinder töten will, die aus meinem Programm hervorgegangen sind. Wir hatten keine andere Wahl. Und bitte verstehen
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