Nur dein Leben
freundliche kleine Leute, die angeregt miteinander plauderten.
John und Naomi folgten Dettore auf dem Weg nach draußen, über einen weiteren Korridor ähnlich dem ein Stockwerk darüber, und blieben schließlich vor einer Tür stehen. »Das Zimmer der zweiten Klasse«, sagte Dettore zu John und Naomi.
Kurz darauf öffnete sich die Tür. Ein Junge und ein Mädchen kamen heraus, dann noch ein Pärchen. Sie gingen nach rechts in Richtung Cafeteria. Kurz darauf folgten Luke und Phoebe, fröhlich lächelnd und scherzend.
Als sie ihre Eltern sahen, blieben sie wie angewurzelt stehen.
Sofort wich das Lachen aus ihren Gesichtern und verwandelte sich in ein gezwungenes Lächeln.
Naomi ging mit ausgestreckten Armen einen Schritt auf sie zu. »Schätzchen! Luke! Phoebe! Meine Lieblinge!«
Die Kinder ließen es zu, dass ihre Eltern sie auf den Arm nahmen, herzten und küssten, und erwiderten ihre Begrüßung etwas verlegen. Als John und Naomi sie absetzten, blieben sie stocksteif wie Wachsfiguren stehen.
Die letzten Kinder verließen den Klassenraum, gefolgt von ihrem Lehrer.
Dettore stellte ihn vor. »Das ist Adam Gardner, unser Dozent für Informatik. Das sind Dr. Klaesson und Mrs. Klaesson.«
»Nett, Sie kennenzulernen!«, sagte Gardner und schüttelte ihnen die Hand. »Sie haben außergewöhnliche Kinder! Luke und Phoebe hatten erst eine Stunde Unterricht bei mir, schon bringen sie mir etwas Neues bei.« Er blickte hinunter auf die Zwillinge, und die beiden strahlten ihn an, so begeistert, dass John und Naomi fast eifersüchtig wurden.
Der Dozent entschuldigte sich und strebte zur Kantine. Dettore sagte: »So, ich nehme an, Sie hätten jetzt gern ein wenig Zeit für sich. Kinder, ihr geht jetzt mit euren Eltern in ein Gesprächszimmer und redet mit ihnen über das, was sie euch zu sagen haben. Und wenn sie am Ende ihres Besuchs hier entscheiden, dass ihr mit ihnen zurück nach England fliegen sollt, geht ihr mit ihnen. Habt ihr verstanden?«
Keines der Kinder antwortete.
124
SIE SASSEN AUF BEQUEMEN SOFAS in einem klimatisierten Zimmer mit Aussicht auf das Gelände. Verchromte, teilweise geschlossene Jalousien schirmten sie vor dem Sonnenlicht ab. John und Naomi saßen auf der einen, die Kinder auf der anderen Seite eines niedrigen Tischs. Die Zwillinge tranken mit Strohhalmen Mineralwasser aus Flaschen.
John fragte plötzlich nach einer Toilette, und Naomi sagte, sie müsse auch mal. Luke und Phoebe zeigten ihnen draußen auf dem Flur den Weg.
John betrat eine penibel saubere Toilette. Anschließend ging er ans Waschbecken, steckte den Metallstopfen in den Abfluss und ließ etwas Wasser ins Becken. Dann, bevor er sich die Hände wusch, zog er den Stopfen wieder heraus und beobachtete, in welche Richtung sich der Strudel im Abfluss drehte. Er lief entgegen dem Uhrzeigersinn.
Auf der Nordhalbkugel drehte sich das Wasser im Uhrzeigersinn. Damit hatte er eine wichtige Information über ihren Aufenthaltsort gewonnen: Sie befanden sich irgendwo auf der Südhalbkugel. Nicht gerade viel, aber es war ein Anfang.
Wieder zurück im Zimmer mit ihren Kindern, lehnte sich Naomi nach vorn und gab Milch in ihren Kaffee. Das kann doch nicht wahr sein, dachte sie bei sich. John und ich können doch nicht hier sitzen und förmlich mit unseren Kindern diskutieren, als ginge es um einen Hauskauf, einen Gebrauchtwagen, einen Bankkredit oder Ähnliches.
Luke umfasste seine Wasserflasche mit seinen kleinen Händen und sagte: »Ich verstehe wirklich nicht, warum ihr unbedingt wollt, dass wir mit euch zurück nach England kommen.«
»Weil wir eure Eltern sind!«, entgegnete Naomi. »Kinder wachsen zu Hause bei ihren Eltern auf. So ist das normalerweise im Leben!«
»Aber nicht hier«, gab Phoebe zurück. »Nur sehr wenige Kinder hier haben Erzeuger. Die meisten sind richtige
Neue Menschen.
«
»Und was ist der Unterschied?«, fragte John.
»Also wirklich, Eltern, ist das nicht logisch?«, fragte Luke. »Diese Kinder schleppen keinen Ballast mit sich herum.«
»Sie mussten sich nicht wie wir im Uterus einer Frau entwickeln«, erklärte Phoebe.
Naomi warf John einen Blick zu und sah seinen schockierten Gesichtsausdruck. Dann erwiderte sie, nur teilweise im Scherz: »Das war eine Belastung für dich, oder, Liebling?«
In Phoebes Antwort lag kein Funke von Humor. »Diese Art der Reproduktion ist absolut archaisch und sinnlos und mit inakzeptablen Risiken für die Kinder verbunden. Die Körpergeburt ist keine geeignete Methode,
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