Nur ein kleiner Sommerflirt
das Vieh einen kahlen Streifen am Rücken.
Ich versuche, nicht zu horchen oder zu gucken, wie es in dem anderen Unterstand vorangeht, sondern konzentriere mich voll und ganz auf meine eigene Mission. Köter bellt wie ein Irrer und macht das Schaf nervös.
»Ringe es zu Boden und halte es unten«, kommt es von meinen Anfeurern.
Soll ich sie mit der Tatsache schocken, dass ich nie einen Bruder hatte, mit dem ich mich balgen konnte? Und eine Schwester auch nicht.
»Köter, ich brauche jetzt deine Hilfe.«
Köter ist ein großartiger Hirtenhund. Das wird mir klar, als das Tier versucht, sich zu bewegen, und Köter ihm fachmännisch den Weg abschneidet und es wieder in die Ecke drängt.
Mit einer schnellen Bewegung werfe ich mich mit meinem ganzen Gewicht auf die wollige Kreatur und beginne zu scheren. Ich verstehe selbst nicht so richtig, warum, aber als das dreckige, wollige Fell davonfliegt, bin ich plötzlich glücklich.
Wie aus weiter Ferne höre ich Lachen und Anfeuerungsrufe und diverse Anweisungen von Doo-Doo. Ich lasse nicht nach und schere wie im Fieber.
Dann trete ich einen Schritt zurück und betrachte das arme Tier. Okay, das ist noch ausbaufähig. Das Schaf hat einen Irokesenschnitt und sieht am Körper wie eine Straßenkarte aus. Aber ich habe es geschafft und fühle mich wie eine Siegerin.
Bis ich Rons Schrei höre. »Was zum Teufel ist hier los?«
17
Diese Achterbahn, die man Leben nennt, macht mich ganz schwindelig.
»Amy, wir müssen reden.«
Ich hasse es, wenn Eltern meinen, sie könnten einem lang und breit Vorhaltungen darüber machen, was man alles falsch gemacht hat, und dann auch noch erwartet wird, dass man schön artig still sitzt und immerzu mit dem Kopf nickt wie ein Wackeldackel.
»Was willst du?«
Gerade sitze ich vor dem Haus und streichle Köter. Ich bin stolz auf ihn, er ist ein großartiger Hirtenhund. Drinnen kann ich hören, wie Onkel Schleim Snotty anbrüllt. Seine Begeisterung hielt sich in Grenzen, als Ron ihm von unserem kleinen Wettkampf berichtet hat.
»Ich will wissen, was da zwischen euch abgeht«, sagt Ron und setzt sich neben mich.
»Nichts.«
Er legt mir eine Hand auf den Unterarm. »Ob du es glaubst oder nicht, ich will doch nur, dass du glücklich bist. Du musst nicht Schafe scheren, um mir irgendetwas zu beweisen.«
Ich schüttle seine Hand ab.
»Wenn du mich glücklich machen willst, dann gib mir ein Rückflugticket. Ich gehöre nicht hierher. – Und zu dir gehöre ich auch nicht«, schiebe ich noch hinterher.
Ich weiß nicht, warum ich das gesagt habe. Als die Worte meine Lippen verlassen haben, war mir schon klar, dass sie ihn verletzen würden. Vielleicht will ich ihm wehtun, weil er die letzten sechzehn Jahre meines Lebens nicht für mich da war. Ich halte den Blick stur auf Köter gerichtet und reibe seinen Bauch, damit ich die Enttäuschung meines Lebens nicht ansehen muss.
»Gut.«
Moment mal, hat er gerade »Gut« gesagt? Ich glaube schon, aber ich kann die Tragweite dieses einen Wortes nicht erfassen.
Als ich aufblicke, hat Ron mir bereits den Rücken zugewandt und geht ins Haus. Meine Beine sind ein bisschen taub, weil ich den Köter so lange auf dem Schoß hatte, aber ich rapple mich eilig hoch und laufe ihm hinterher.
Er stöbert in seinem Koffer.
»Was hast du gesagt?«, frage ich.
Er sieht mich von der Seite an, ehe er weiter in seiner Tasche herumwühlt. »Ich sagte: ›Gut‹, Amy.«
»Das heißt …«
»… wenn du nichts mit mir zu tun haben willst, wenn es das ist, was dich glücklich macht, dann muss ich das akzeptieren.« Er nimmt Papiere aus seinem Koffer und hält sie mir hin. »Hier ist dein Ticket in die Staaten.«
Ich zögere einen Moment lang. Dann schnellt meine Hand vor und schnappt das Papier aus seiner ausgestreckten Hand.
Plötzlich schlägt wie eine große Woge ein Gefühlschaos über mir zusammen – Sorge, Verwirrung und was weiß ich. Ich halte kurz inne, dann renne ich aus dem Haus und steuere auf die Stelle zu, an der Safta und ich uns über ihre Verbundenheit mit diesem Fleckchen Erde unterhalten haben.
Ich setze mich an den Abhang und denke darüber nach, was ich alles zurücklasse, wenn ich nach Hause fliege. Matan. Meine Tante und meinen Onkel, die ich gerade erst kennengelernt habe. Und Köter.
Aber am allermeisten hält mich Safta hier. Ich habe sie ins Herz geschlossen und kann nicht einfach so abreisen, während sie bei der Chemo ist.
Ich umschlinge meine Knie mit den Armen und sinne über
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