Nur ein kleines Bischen
Werdet ihr dann nicht alle verrückt?»
»Nur die Neulinge«, erklären sie. »Und die halten wir hinter Schloss und Riegel, bis wir sie dazu ausbilden können, ihre Instinkte unter Kontrolle zu halten.«
»Es ist leicht, dem Ruf des Vollmonds zu widerstehen, sobald man eine gewisse Ausbildung erhalten hat«, ergänzt Lupine. »Es ist das Verlangen, sich zu paaren, das den inneren Wolf zum Vorschein bringen kann, selbst bei den Diszipliniertesten unter uns.« Er deutet auf einen Mann im hinteren Teil der Bar. »Sehen Sie sich zum Beispiel John dort drüben an. So, wie er Sie ansieht, fängt er gerade an, sich zu verwandeln.«
Ich schaue zu John hinüber, der hinter den anderen steht. Auf seiner Brust sind einige graue Haare gesprossen und weißes Fell ragt ihm aus den Ohren.
Ich beobachte fasziniert, wie seine Nase sich direkt vor meinen Augen verlängert wie die von Pinocchio.
Als er bemerkt, dass wir alle ihn anstarren, läuft er dunkelrot an. »Ähm, ich muss, ähm, mit einem Mann über einen Hund sprechen«, murmelt er, dreht sich um und flüchtet aus der Bar. Die Männer brechen in Gelächter aus und schlagen einander auf den Rücken.
»John ist immer schon ein Wolf für die Damen
gewesen«, sagt Lupine kichernd.
»Also ist er …?«
»Ja, Mädel. Wissen Sie, wenn wir spitz werden, wird auch die Schnauze spitz. Wächst uns ein Horn, dann wachsen auch die Haare.«
Ähm, iih. Was die die Frauen wohl davon halten?
Obwohl ich schätze, dass sie wahrscheinlich in
demselben pelzigen Boot sitzen. Das würde natürlich bedeuten, dass es erheblich schwerer wäre, die Tatsache zu verbergen, dass man nicht mehr auf
seinen Partner steht.
Tut mir leid, Liebes, irgendwie kann ich heute Nacht anscheinend nicht haarig werden.
Keine Sorge, Liebes. Das passiert allen Wölfen ab und zu.
Einer der Männer beugt sich vor, um mich zu
beschnuppern. (Nein, Gott sei Dank nicht meinen
Hintern.) »Sie sind selbst kein Mensch, Mädel«,
erklärt er. »Ihr Blut riecht komisch.«
Jetzt ist es an mir zu erröten. Soll ich ihnen die Wahrheit sagen? Ich schätze, das geht in Ordnung.
Schließlich haben diese Burschen gerade zugegeben, dass sie regelmäßig den Mond anheulen. Ein kleiner Reißzahn wird ihnen nichts ausmachen.
»Ich bin ein Vampir«, gestehe ich. »Ich bin erst im letzten Frühling verwandelt worden.«
Sie sehen mich mit großen Augen und echtem
Interesse an. »Ein Vampir, ja?«, fragt einer. »Ich bin noch nie einem echten begegnet.«
»Schlafen Sie in einem Sarg?«
Ich lache. »Nein, ich habe ein Zimmer im Appleby
Manor.«
»Können Sie Ihr eigenes Spiegelbild nicht sehen?«
»Glauben Sie, mein Haar würde so gut aussehen,
wenn ich es nicht könnte?«
»Was ist mit Kreuzen? Brennen Sie wie Feuer?«
»Total. Und ich ekle mich echt vor Knoblauch. Aber den habe ich schon vor meiner Verwandlung nicht gemocht, es ist also kein großer Verlust für mich.« .
»Sterben Sie, wenn Ihnen jemand einen Pflock ins
Herz rammt?«
Ich stöhne. »Du liebe Güte, Jungs, macht mal
halblang. Ich bin ein Vampir, keine Freakshow. Und außerdem seid ihr Werwölfe. Funktionieren Silberkugeln? Heult ihr den Mond an? Hat der
American Werewolf in London einen von euch als Vorbild?«
Sie lachen und klopfen mir auf den Rücken. »Touché, Vampirmädel«, sagt einer von ihnen. »Touché.«
»Also, noch eine weitere Frage«, sagt Lupine.
»Warum sucht ein Yankeevampir wie Sie in unserer
bescheidenen Bar nach Lykanern?«
»Hm, ich bin froh, dass Sie das gefragt haben«,
antworte ich.
»Erinnern Sie sich an eine Gruppe amerikanischer
Mädchen, die letzten Sommer hier waren ? Sie sind zu einem Cheerleaderwettbewerb hergekommen.«
Die Männer stöhnen einstimmig auf. »Die kann ich
nicht vergessen«, bemerkt einer. »Meine Ohren haben noch drei Wochen nach ihrer Abreise geklingelt von diesem ganzen verwünschten Lärm, den sie gemacht haben.«
Ich lache, »Yup, die meine ich«, sage ich. »Nun, sie sind inzwischen natürlich wieder in Massachusetts, aber sie haben sich ... verändert.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ähm, einfach ausgedrückt, ich glaube, sie sind
Werwölfe.«
Besorgtes Gemurmel bricht aus. Ich warte geduldig und zünde mir noch eine Zigarette an.
Schließlich ergreift Lupine das Wort. »Das ist
unmöglich«, erklärt er.
Ich zucke die Achseln. »Unmöglich oder nicht, ich sage die Wahrheit. Und dies ist der einzige Ort, an dem sie sich infiziert haben können.«
»Aber wir haben seit mehr als
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