Nur Fuer Schokolade
geschenkt, das ich im Gefängnis besonders in Ehren hielt. Eines Tages legte ich es in der Zelle auf den Tisch, was ich eigentlich nie tat, ich hatte es immer in meiner Tasche aufbewahrt. Leszek sah es und zündete sich eine Zigarette damit an. Wütend verbat ich ihm das Benutzen des Feuerzeuges. Ich wollte nicht, daß er es mit seinen Händen berührte.
Als ich ihm sagte: Laß es, faß es nie mehr an!, lernte ich ihn zum ersten Mal richtig kennen. Blitzschnell sprang Leszek, das Feuerzeug noch immer in der Hand, auf und umklammerte mit beiden Händen meinen Hals. In seinen Augen erkannte ich, das ist meine letzte Stunde. Während er mich würgte, stotterte er vor Aufregung: Das gehört mir, alles hier gehört mir.
Gib acht, das Gas könnte austreten und dir in die Augen sprühen, brachte ich noch hervor. Da ließ Leszek von mir ab, gab das Feuerzeug zurück und entschuldigte sich sogar.
Nachträglich glaube ich den Grund zu kennen, warum Leszek losließ. Es war, weil ich ihn darauf aufmerksam gemacht hatte, daß er sich verletzen könne. So etwas kannte Leszek nicht, daß man nicht wollte, daß ihm etwas Übles widerfährt. Niemand wird sich vorstellen können, was in einem selbst vorgeht, wenn man weiß: ein Massenmörder drückt einem die Kehle zu. Niemand kann verstehen und nachfühlen wie es ist, wenn einem der Tod so nahe ist. Man mußte nur seine Augen sehen, es waren die Augen eines Haies, der sie verdreht, bevor er zubeißt. Noch einmal sah ich diese Augen, die vor kurzer Zeit für viele den Tod bedeutet haben. Danach faßte mich Leszek nie mehr an. Einmal noch erlebte ich ihn in derselben Verfassung.
Eines Tages, wie so oft, sollte er zu einer Rekonstruktion am Tatort abgeholt werden, wahrscheinlich nach Breslau. Die Wärter kamen diesmal etwas früher und forderten, daß er rasch seine Sachen zusammenpacken sollte. Dies hatte man ihm noch nie bei einer solchen Gelegenheit gesagt und er kannte sich gar nicht mehr aus, bekam Angst, daß etwas geschehen würde, von dem er keine Ahnung hatte. Noch nie mußte er packen. Die Wärter waren inzwischen weggegangen, aber ich habe bemerkt, wie Leszek sich verändert hatte, er bekam wieder diesen Blick, diesen verdrehten Blick eines Haies. Er war in diesem Moment, glaube ich, zu allem bereit. Inzwischen kamen die beiden Beamten noch einmal an die geöffnete Zellentür. Leszek wartete in sicherem Abstand nur darauf, was als nächstes geschehen sollte.
Ohne daran zu denken, was auf ihn zukommen könnte, streckte einer der Beamten seine Hand nach Leszek aus, um ihm Geld zu geben. Geld, das er immer bekam, wenn er zu Rekonstruktionen fuhr, vor allem für Schokolade. Man wollte, daß er sich freute und durch die Geschenke leichter zu bewegen wäre, neue Tatorte bekanntzugeben. Als der zweite Wärter von ihm verlangte: Komm, mach voran, schau, daß du weiterkommst, spielte er verrückt. Er wurde sehr, sehr böse.
Man konnte sehr genau sehen, wie Leszek sein konnte. Man sah sein wahres Gesicht, er war bereit, zu töten. Die Beamten erkannten die Situation und konnten gerade noch die schwere Türe zuschlagen.«
Roman will ihm in diesem Moment zugeschrien haben, daß er sowieso zurückgebracht werde; er solle keine Angst haben.
»Leszek beruhigte sich. Aber seine braunen Augen waren wie die eines Hai. diesen Ausdruck in den Augen vergesse ich nie.«
Roman berichtet weiter: »Ich hatte Angst in diesem Augenblick, große Angst. Eines Tages erzählte Leszek mir, daß er erfahren hatte, wahrscheinlich von einem Mitgefangenen, daß es gut wäre, im Gefängnis einen zu töten, damit er in eine Pflegeanstalt käme, da würde es ihm viel besser gehen. Und ich war ihm doch am nächsten, ich war doch sein Eigentum. Dieser einfältige Mensch wurde für mich immer unberechenbarer. Eines Tages, Leszek lag im oberen Bett wie immer, fiel seine Hand nach unten, direkt in mein Gesicht. Ich wußte nicht: geschah dies im Schlaf oder war er wach? Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich hatte noch nie in meinem Leben solche Angst wie in diesen Minuten.
Ich hatte Bilder von meiner Frau und meinen Kindern neben dem Tisch aufgehängt und bemerkte, wie Leszek diese immer wieder betrachtete, doch ich maß dem keine Bedeutung bei.
Eines Tages fragte er mich: Würdest du ihnen helfen, wenn ich deine Frau oder deine Kinder angreifen würde? Ich gab keine Antwort, ich wußte, daß mir Leszek diese Frage nur stellte, um zu testen, wie ich darauf reagieren würde. Ich wußte von Leszek zu viel,
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